BMW: Viel Raum für das Auto der Zukunft

von Redaktion

Auf 35 000 Quadratmetern arbeiten erstmals alle Antriebs-Entwickler unter einem Dach

VON KATHRIN BRAUN

München – Es klingt ein bisschen wie ein Scherz, als Martin Hahm sagt: „Hier ist ein Großraumbüro für 1600 Leute entstanden.“ Denn in dem neuen BMW-Gebäude sieht zunächst nichts nach Büro aus: Hahm steht auf einer großen, kahlen Fläche, hier steht nur ein Glaskasten mit einem weißen Miniatur-Modell vom FIZ Nord – so nennt sich das Großraumbüro, von dem Hahm spricht. Dann deutet er nach oben: Über vier Etagen windet sich eine weiße Treppe rund um das offene Atrium, durch eine Glaskuppel strömt Tageslicht in das Gebäude.

„Von den oberen Geschossen aus sieht man besser, was ich meine“, sagt er. Das stimmt: Im obersten Stockwerk des Gebäudes hat man einen guten Überblick über die rund 35 000 Quadratmeter des neuen Projekthauses im Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ). Hier sollen sich all diejenigen treffen, die an der Entwicklung eines neuen BMW, Mini oder Rolls-Royce arbeiten.

Rund 4800 Mitarbeiter sind seit September in die neue Denkfabrik eingezogen. Sie ist Teil des Masterplans „FIZ Future“, für das BMW bereits rund eine Milliarde Euro investiert hat – und für das Martin Hahm als Gesamtprojektleiter zuständig ist. Zwischen der Schleißheimer Straße und der Knorrstraße soll das FIZ im Münchner Norden enorm ausgebaut werden: Rund 41 000 Menschen sollen hier bis 2050 arbeiten können. Mit dem Projekthaus Nord ist eine weitere Etappe des Masterplans geschafft.

Ein würfelförmiger Raum, der sich über breite Treppenstufen spiralförmig bis ins Erdgeschoss zieht – und in dem nur die Ecken genutzt werden. „Der Atriumsbereich wirkt zwar wie ein großer verlorener Raum“, sagt Hahm, „aber die quadratische Form des Gebäudes ist die ideale Form an Raumausnutzung.“ Denn jede Ecke, in der gearbeitet wird, werde durch das Glasdach mit genug Tageslicht beleuchtet.

Wie in einem Großraumbüro sehen die Arbeitsplätze dennoch nicht aus: Hier reihen sich keine Schreibtische aneinander. Der Fokus liegt vielmehr auf dem Austausch der Mitarbeiter: Stehtische, Glaskabinen für Besprechungen, breite Stufen zum Sitzen. Wer sich für ein Telefonat zurückziehen möchte, kann das in einer Telefonzelle tun. „Wir haben festgestellt, dass viele Kollegen nur temporär einen festen Arbeitsplatz brauchen“, sagt Hahm. Viel wichtiger sei, dass es genug Möglichkeiten für Team-Besprechungen gibt. „Wir haben die Bereiche zwischen kommunikativer und konzentrierter Arbeit aufgeteilt“, erklärt er.

In den äußersten Ecken des Würfels sieht man deshalb für Programmierer doch noch einige typische Büro-Schreibtische mit Computern – die auf den ersten Blick aber sehr verwaist aussehen. Keine Bilderrahmen, keine mit Kugelschreibern gefüllte Kaffeetassen, nicht mal Tastaturen. „Normalerweise bleiben rund 20 Prozent der Tische – ob wegen Krankheit oder Urlaub – leer“, sagt Hahm. Deshalb teilen sich fast alle Mitarbeiter im FIZ ihre Schreibtische, persönliche Dinge holen sie jeden Tag aus ihrem Spind.

Es ist das erste Mal, dass alle Entwickler der BMW-Antriebe unter einem Dach arbeiten. Kurze Wege für dichten Austausch: Das war das Ziel, als der Autobauer vor fünf Jahren mit dem Bau des FIZ Nord begonnen hat. „Diejenigen, die für die Entwicklung eines Antriebs Teile einkaufen oder die Produktion planen, sollen hier gemeinsam mit denjenigen arbeiten, die den Motor bauen müssen“, erklärt Hahm.

Das moderne Würfelgebäude soll zufällige Treffen erzwingen. „In einem normalen Hochhaus mit mehreren Etagen weiß man nie, was die Kollegen unter oder über einem eigentlich machen“, sagt Hahm. „Hier ist ein wesentlicher Punkt, dass sich Mitarbeiter sehen und sagen: Ach Mensch, gut, dass ich dich sehe – vielleicht kannst du mir bei einem Problem weiterhelfen.“

Noch findet das nicht in dem Ausmaß statt, wie Hahm sich das gewünscht hätte – wegen der Corona-Krise tauschen sich viele Angestellte über Video-Calls aus. Trotzdem kommt das Konzept vom modernen Arbeitsplatz bereits bei den Mitarbeitern an. Am Treppengeländer steht eine Frau und tippt etwas in ihren Laptop, ein paar Stufen unter ihr sitzen zwei Mitarbeiter und besprechen sich. Kollegen können sich quer durch das Gebäude erblicken – offener geht es kaum. Außer in den Ecken des Würfels, die versteckt bleiben: Da wird hinter den Erlkönig-gemusterten Vorhängen an den neuesten Ideen von BMW gewerkelt. Und die bleiben streng geheim.

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