Anleger bleiben am liebsten daheim

von Redaktion

VON GERD HÜBNER

Frankfurt – In der Corona-Pandemie scheint bei vielen Bundesbürgern das Interesse an Aktien erwacht zu sein. Laut einer Umfrage der ‚Aktion pro Aktie‘ besaß zuletzt mehr als jeder dritte Deutsche Aktien, entweder als direktes Investment oder indirekt über Investmentfonds und Exchange Traded Funds (ETFs). Gegenüber 2017 ist der Anteil der Aktienbesitzer hierzulande damit um zehn Prozentpunkte gestiegen. Doch stehen dabei immer wieder deutsche Aktien im Fokus, wie ein Blick in die Portfolios der Bundesbürger zeigt.

Laut einer Auswertung der Consorsbank sind 23 der 30 beliebtesten Titel, die deutsche Anleger in ihren Depots haben, deutsche Unternehmen. „Tatsächlich stelle ich immer wieder fest, dass bei den Anlegern hierzulande eine ausgeprägte Vorliebe für Unternehmen aus Deutschland vorherrscht“, erklärt Burkhard Wagner von der Partners Vermögensmanagement AG in München. In der Fachsprache wird diese Tendenz als „Home Bias“ bezeichnet.

Diese Heimatliebe, die ein internationales Phänomen ist, hat gute Gründe: „Anleger glauben in der Regel, dass sie sich bei heimischen Unternehmen besser auskennen, und sie identifizieren sich auch häufig mit den dahinter stehenden Marken“, so Wagner. „Dazu kommt“, ergänzt Adrian Roestel von der Münchner Vermögensverwaltung Huber, Reuss und Kollegen, „dass Anleger bei heimischen Firmen besser verfolgen können, wie sie sich entwickeln, da diese in den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung stark präsent sind. Bei Firmen aus dem Ausland ist das oft schwieriger.“ „Außerdem kommen außerhalb des Euroraums noch Währungsaspekte sowie steuerliche Gegebenheiten hinzu, die zum Beispiel bei Dividendenzahlungen einen höheren Aufwand bedeuten können und viele Anleger deshalb abschrecken“, erklärt Wagner.

Zwar ist es so, dass gerade viele deutsche Firmen aufgrund ihrer regen Exporttätigkeit einen Zugang zu den globalen Märkten bieten. Dennoch birgt eine solch einseitige Ausrichtung des Portfolios nicht unerhebliche Risiken. Wer insbesondere auf die Werte im deutschen Leitindex Dax setzt, bei dem dürfte der Fall Wirecard deutlich größeren Schaden angerichtet haben als bei einem Anleger mit einem globalen Portfolio.

Zudem befindet sich im Dax ein verhältnismäßig hoher Anteil an Firmen, die an der Automobilindustrie hängen. Doch leidet dieser Bereich derzeit unter einem massiven strukturellen Wandel, wodurch die Risiken im Portfolio zunehmen. „Tatsächlich zeigt es sich immer wieder, dass sogenannte Klumpenrisiken in einzelnen Märkten oder Branchen zu überdurchschnittlich hohen Verlusten führen können“, warnt Wagner. Dafür sind im Dax außer dem Softwarekonzern SAP kaum international erfolgreiche Technologiewerte enthalten. Doch gerade dieser Bereich lief zuletzt bemerkenswert gut.

„Sie müssen bedenken, dass sich in den vergangenen Jahren der amerikanische Technologieindex Nasdaq-Index extrem gut entwickelt hat“, so Roestel. „Wer nur in Deutschland investiert war, hat davon überhaupt nicht profitiert.“ Mit anderen Worten: Wer vor allem am Heimatmarkt investiert, geht höhere Risiken ein und lässt zugleich Chancen ungenutzt.

Wie klein das Universum der deutschen Aktien ist, zeigt ein Blick auf die Zusammensetzung des globalen Index MSCI Welt. Dort ist Deutschland mit einem Anteil von weniger als drei Prozent nicht einmal unter den größten fünf Ländern. „Deshalb sollten Anleger ihr Aktienportfolio besser über Länder und Branchen hinweg breit streuen“, erklärt Roestel. „Dadurch wird es ausgeglichenen und bringt stabilere und langfristig bessere Ergebnisse.“

Verdeutlichen lässt sich das an einem Vergleich zwischen dem globalen Aktienindex MSCI Welt und dem MSCI Deutschland. Während der weltweite Index in den vergangenen drei Jahren 6,55 Prozent pro Jahr zulegte und dabei jährliche durchschnittliche Kursschwankungen von etwa 17 Prozent aufweist, kommt die allein auf deutsche Werte fokussierte Indexvariante im gleichen Zeitraum auf minus 5,11 Prozent und eine Volatilität von knapp 21 Prozent. Ähnlich sehen die Unterschiede über fast alle Zeiträume aus.

Aus diesen Gründen ist es unbedingt ratsam, bei der Geldanlage über den heimischen Tellerrand hinauszublicken. Um das umsetzen zu können, bieten sich vor allem aktiv gemanagte Fonds und Exchange Traded Funds (ETFs), die einen Aktienindex wie den MSCI World abbilden, an. „Für ETFs spricht dabei, dass diese leicht verständlich, in der Regel transparent und vor allem eine sehr kostengünstige Lösung sind, mit der Anleger sehr einfach in unterschiedliche Märkte investieren können“, sagt Roestel.

Aber auch aktiv gemanagte Fonds können eine gangbare Alternative sein. „Zumindest dann, wenn jemand der Meinung ist, einen Fondsmanager gefunden zu haben, der seinen Vergleichsindex trotz der höheren Kosten langfristig schlagen kann“, so Wagner. Die Vermeidung eines Home Bias wird sich dabei auf jeden Fall langfristig positiv auszahlen.

Vorliebe für Aktien aus Deutschland

Dax stark auf Autos fokussiert

Weltweite Indizes deutlich rentabler

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