London – Mit dem Jahreswechsel verlässt das Vereinigte Königreich endgültig die Strukturen der Europäischen Union nach fast 40 Jahren Mitgliedschaft. Der rund 1300 Seiten lange Handelspakt soll unter anderem Fragen zum Handel, der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz und dem Krankenversicherungsschutz Reisender bei Notfällen regeln.
Zölle
Der Handel wird erheblich schwerer als bisher. Für Unternehmen auf beiden Seiten werden deutlich mehr Formalitäten zu erledigen sein. Zwar fallen für britische Waren durch den Handelspakt künftig keine Zölle an, doch britische Exporteure in die EU müssen vom Jahreswechsel an aufwendig nachweisen, dass ihre Produkte tatsächlich überwiegend im eigenen Land hergestellt wurden. Auch Nachweise für die Einhaltung der EU-Regeln zur Lebensmittelsicherheit und zur Einhaltung von Produktstandards müssen künftig erbracht werden. Die französische Regierung kündigte bereits an, britische Waren vom Jahreswechsel an „massiv“ zu überprüfen. Auch für die Dienstleistungsbranche, die rund 80 Prozent der britischen Bruttowertschöpfung ausmacht, wird der Zugang zum europäischen Binnenmarkt erheblich schwerer.
Wettbewerb
Ein weiteres kniffliges Thema war die Frage nach gleichen Wettbewerbsbedingungen. Brüssel wollte verhindern, dass die Briten ihre Standards bei Arbeitnehmerrechten und dem Umweltschutz senken und sich dadurch einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Bisher geltende Standards werden nun de facto „eingefroren“, dürfen also nicht unterlaufen werden. Die EU musste aber ihre Forderung aufgeben, dass Großbritannien sich auch in Zukunft fortlaufend an von ihr geänderte Standards anpasst.
Fischerei
Obwohl die Fischerei wirtschaftlich kaum eine Rolle spielt, war das Thema am schwierigsten zu lösen – EU-Küstenstaaten wie Frankreich, Belgien und Dänemark war es besonders wichtig. London hat bei den Verhandlungen große Zugeständnisse gemacht. Europäische Fischer müssen zunächst nur auf ein Viertel ihrer Fangquoten verzichten – gestaffelt auf fünfeinhalb Jahre. Danach wird jährlich verhandelt. Sollte London den Zugang der europäischen Fischer danach weiter beschneiden, könnte Brüssel das mit Zöllen beantworten.
Reisen
Die Personenfreizügigkeit zwischen der EU und Großbritannien endet mit dem 31. Dezember 2020. Wer künftig in Großbritannien arbeiten und leben will, muss ein Visum beantragen. Das soll durch ein punktebasiertes System geregelt werden, bei dem Faktoren wie die Höhe des Einkommens und die Branche eine Rolle spielen. Für Touristen wird es bei kürzeren Reisen keine Visumspflicht geben. Eine gute Nachricht ist, dass die Europäische Krankenversicherungskarte erst einmal gültig bleibt, solange sie nicht abgelaufen ist. Auch in der Zukunft sollen Reisende im Notfall von ihrem Krankenversicherungsschutz im Heimatland Gebrauch machen können. Nicht im Abkommen geregelt, aber dennoch wichtig für Großbritannien-Touristen dürfte sein, dass die großen Telefonanbieter weiterhin keine Roaming-Gebühren erheben wollen.
Luftfahrt und Lieferverkehr
Fluggesellschaften beider Seiten dürfen weiter Ziele im jeweils anderen Gebiet anfliegen. Für eine britische Airline ist es aber nicht mehr möglich, Passagiere zwischen zwei Orten in der EU zu transportieren – dasselbe gilt für EU-Linien in Großbritannien.
Speditionen können mit ihren Lastwagen weiterhin Waren in das andere Gebiet liefern. Sie können zudem zwei weitere Punkte anfahren, um etwa neue Fracht aufzunehmen, bevor sie in ihr Heimatgebiet zurückkehren.
Energie und Klima
Beim Energiehandel und der Verbindung ihrer Stromnetze bleiben die EU und Großbritannien eng beieinander. Auch beim Ausbau von Offshore-Windparks in der Nordsee soll zusammengearbeitet werden. Zudem bekräftigt das Abkommen Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen.
Sicherheit
Großbritannien verliert in der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung den „Echtzeit“-Zugriff auf EU-Daten von Verdächtigen, insbesondere über das Schengener Informationssystem. Beide Seiten vereinbarten aber neue Mechanismen zum Austausch von Daten wie Fingerabdrücken. Britische Ermittler arbeiten zudem weiter eng mit der EU-Polizeibehörde Europol zusammen.
Berufsqualifikationen
Die automatische Anerkennung von Berufsabschlüssen fällt weg. Beispielsweise Ärzte, Ingenieure und Architekten und viele weitere Berufsgruppen müssen ihre Qualifikation künftig nach den Regeln der einzelnen Länder, in denen sie arbeiten wollen, nachweisen. dpa/afp