Ökonomen zeigen viel Optimismus

von Redaktion

VON GERD HÜBNER

München – Wirtschaftlich betrachtet hätte 2020 ein unspektakuläres Jahr werden sollen. Ein Wachstum um die drei Prozent hatten die meisten Volkswirte erwartet – nicht viel, aber immerhin. Doch dann kam alles anders. Infolge der rasanten weltweiten Ausbreitung von Covid-19 kam es fast überall auf der Welt zu Lockdowns. Dadurch brach das Wirtschaftswachstum in den führenden Volkswirtschaften der Welt dramatisch ein. In den USA schrumpfte die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um etwa ein Drittel, in der Eurozone lag der Rückgang bei fast 15 Prozent und hierzulande bei rund zehn Prozent. Für das Gesamtjahr erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) auf globaler Basis ein Minus von 4,4 Prozent. Es ist die schlimmste Rezession seit der Weltwirtschaftskrise in den 1920er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Dass es nicht noch schlimmer kam, liegt vor allem an China. Das Reich der Mitte hat als eines der ersten Länder die Pandemie hinter sich gelassen und soll in diesem Jahr nach IWF-Schätzungen rund zwei Prozent zulegen. „Tatsächlich gehe ich mit Blick auf das kommende Jahr auch davon aus, dass Asien und insbesondere China die Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft werden wird“, sagt Michael Thaler von der TOP Vermögen AG in München.

Doch ist das nur ein Grund, warum viele Ökonomen derzeit optimistisch ins neue Jahr blicken – auch wenn wir uns hierzulande noch im Lockdown befinden und die Neuinfektionszahlen Mitte Dezember kräftig ansteigen. „Wann ein Aufschwung einsetzt, ist zwar aktuell nicht klar, aber aufgrund der zugesagten beispiellosen geld- und fiskalpolitischen Unterstützung werden wir im kommenden Jahr auf jeden Fall den Beginn einer starken konjunkturellen Erholung sehen“, erwartet Burkhard Wagner von der Partners Vermögensmanagement AG.

Dazu kommen als zweiter wichtiger Faktor die Corona-Impfstoffe. „Auch wenn es viel Zeit in Anspruch nehmen wird, allein die Risikogruppen zu impfen, so sollten diese im Laufe des Jahres 2021 doch dafür sorgen, dass der Einfluss der Pandemie abnimmt“, so Wagner. Und so geht der IWF auch davon aus, dass die Weltwirtschaft im kommenden Jahr mit 5,2 Prozent wieder kräftig wachsen wird. Das Vorkrisenniveau dürften viele Volkswirtschaften aber erst wieder im Jahr 2022 erreichen. Neben China, dessen Wirtschaft im kommenden Jahr nach IWF-Schätzungen um 8,2 Prozent wachsen soll, rechnen die Volkswirte der Privatbank MM Warburg für die USA mit einem ebenfalls recht ordentlichen Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent im kommenden Jahr. Sie gehen in ihrem Ausblick davon aus, dass es mit den wärmeren Temperaturen und der zunehmenden Verfügbarkeit eines Impfstoffes ab dem zweiten Quartal zu einer deutlichen Beschleunigung der konjunkturellen Dynamik in den USA kommen wird. Diese Schlussfolgerung, schreiben die Experten weiter, lasse sich aus dem dritten Quartal 2020 ziehen, das gezeigt habe, dass sich die Wirtschaft bei einer Rückkehr zu normalen Verhältnissen wesentlich dynamischer und schneller erholt hat, als dies allgemein erwartet wurde.

Ähnlich optimistisch sind die Ökonomen für die Eurozone. Dort rechnen sie sogar mit einem Wachstum von knapp sechs Prozent. Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut HWWI soll das Wachstum in Deutschland nach einem Rückgang um fünf Prozent in 2020 im kommenden Jahr bei vier Prozent liegen. Dennoch gibt es auch Risiken. „Zum Beispiel wird sich der Handelsstreit zwischen den USA und China auch unter dem neuen Präsidenten Joe Biden fortsetzen“, ist Michael Thaler überzeugt. Zudem sieht er – zumindest mittelfristig – auch das Risiko einer steigenden Inflation. „Sie müssen bedenken, dass dieses Mal, anders als in der Finanzkrise 2008, die Fiskalpakete zum Teil an die Betroffenen geflossen sind und damit direkt nachfragewirksam werden“, sagt er. Zwar sei für einen schnellen Preisanstieg der Arbeitsmarkt noch zu fragil. „Aber wenn er sich stabilisiert und wieder mehr Menschen in Lohn und Brot stehen, dann kann dies durchaus eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen und zu einem deutlichen Anstieg der Teuerungsrate führen“, warnt der Anlageexperte weiter. Zudem gibt Burkhard Wagner zu bedenken, dass in all diesen Prognosen viel Hoffnung auf den Impfstoff und einen Rückgang der Neuinfektionen bei wärmeren Temperaturen ab dem zweiten Quartal enthalten sind. Die Unsicherheiten beim Ausblick sind diesmal besonders hoch.

Im zweiten Teil

geht es um die Erwartungen für den Kapitalmarkt.

Starke Erholung in Europa erwartet

Inflationsgefahr nimmt zu

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