München – Das Gesicht des Ministers auf dem Bildschirm leuchtet gelb-rötlich – ein Wärmebild. Entscheidend ist nur ein winzig grüner Schriftzug, der über der Stirn flackert: 36,4 Grad zeigt er zuerst an, dann 36,8 Grad – immer noch grün –, als Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die Wärmebildkamera passiert. Bestanden. Kein Fieber. Kein Corona-Verdacht. Wäre da eine Zahl jenseits der 38 gestanden, hätte Aiwanger zum Corona-Schnelltest gemusst – und wäre ohne negatives Ergebnis nicht in das Einkaufszentrum „Forum Schwanthalerhöhe“ gelangt. Aber das alles ist nicht Wirklichkeit. Aiwanger wollte mit der Vorführung nur zeigen, was trotz Corona alles möglich wäre, wenn man bayerischen Innovationsgeist stärker zur Infektionsvermeidung nutzen würde.
Das System wird von der Münchner Firma G2K angeboten. Aber es hat keinen Nutzen, wenn ohnehin alles dicht ist. Das Forum Schwanthalerhöhe ist derzeit nicht Einkaufs-, sondern Stillstandszentrum. Die meisten Imbissstände haben zu. Gerade mal zwei bieten Essen zum Mitnehmen an. Ein Tierfutterladen sorgt dafür, dass es wenigstens Vierbeinern an nichts fehlt. Zwei Drogeriemärkte, ein Optiker, ein Discounter und ein Biohändler – offen. Die vielen kleinen Läden dagegen dämmern menschenleer dem wirtschaftlichen Aus entgegen.
„Wir haben alles geschlossen, weil wir gegen Corona nichts hatten“, sagt Aiwanger. „Keine Tests, keine Masken.“ Beides gäbe es – und darüberhinaus intelligente Technik. „Technik muss künftig mehr möglich machen“, sagt der Minister.
Das System Parsifal von G2K erfasst die Zahl der Menschen in einem Bereich. Es warnt, wenn jemand keine Maske trägt, und es erfasst die Temperatur aller Passanten, so wie es an vielen Flughäfen der Dritten Welt längst üblich ist. Erkennt es Gefahr, schlägt das System Alarm.
Das ist keine Zukunftsmusik, sondern sofort umsetzbar. Die Software, die dahintersteckt, könnte viel mehr im Bereich Sicherheitstechnik. Coronasichere Zugangskontrollen sind für die künstliche Intelligenz von Parsifal eher das kleine Einmaleins. Das System stammt aus Deutschland – was aber nicht dazu führt, dass es in Deutschland massenweise im Einsatz wäre. 40 Mal ist es im Inland installiert, sagt G2K-Vertriebschef Jörg Hensen. Im Ausland doppelt so oft.
Dabei könnte Parsifal vieles gefahrlos wieder ermöglichen, was im Lockdown verboten ist: Einkaufen, Friseurbesuche, Gastronomie. Und es könnte einen Beitrag dazu leisten, dass die nach wie vor hohe Corona-Dunkelziffer schrumpft. Aiwanger denkt auch an Kultur und Veranstaltungen. Doch vor allem geht es ihm darum, die horrenden Kosten, die der Lockdown verursacht, zu senken. „Wir müssen den Schaden in Wirtschaft und Gesellschaft minimieren“, fordert er und warnt: „Der Staat reduziert durch den Lockdown nachhaltig seine Handlungsfähigkeit.“ Aiwanger spielt damit auf die zu erwartenden langfristigen Steuerausfälle an.
Die Kosten sind gemessen an den Ausfällen im Einzelhandel überschaubar. Von 12 000 Euro Investition spricht Jörg Hensen, wenn es darum geht, einen Zugang zu überwachen. Das würden viele Händler und Wirte gern ausgeben, wenn sie öffnen dürften. Und selbst bei einem Einkaufszentrum mit zahlreichen Zu- und Ausgängen erwartet der G2K-Vertriebschef eine Summe im fünfstelligen Bereich. Ein Klacks gemessen an den aufgelaufenen Ertragseinbußen im Lockdown. Wichtiger noch, weil die Software nur kopiert werden muss und die Hardware aus verbreiteten Standardkomponenten besteht, ließe sich die Sache „rasch über ganz Deutschland ausrollen“, sagt Hensen. Er spricht von „einem Monat“, was deutlich schneller wäre als alle Impfpläne der Politik. Es wäre ebenso in Altenheimen und Krankenhäusern einsetzbar. Auch Theater, Kino- oder Konzertbesuche wären bei minimierter Infektionsgefahr möglich. Nur dass es so kommt, ist unwahrscheinlich. Da kennt Aiwanger seine Grenzen. Wenn’s ums Eingemachte geht, die Absprachen zwischen Bund und Ländern, ist nicht er dabei, sondern sein Koalitionsgegner Markus Söder. „Solche Fragen“, so Aiwanger, „werden meines Wissens in der Ministerpräsidentenkonferenz nicht diskutiert“.