München – Oliver Bäte ist stolz auf seinen Konzern. „Wir müssen über die Allianz nachdenken als Fels in der Brandung“, findet der Vorstandschef mit Blick auf das Corona-Jahr 2020. Zwar sind die operativen Gewinne um knapp ein Zehntel auf 10,8 Milliarden Euro geschrumpft. Aber damit blieben zum einen rund 400 Millionen Euro mehr in der Kasse, als Analysten im Vorfeld geschätzt hatten. Zum anderen konnten die Münchner ihre Belastungen durch die Corona-Krise auf 1,3 Milliarden Euro begrenzen, wenn die Methoden teils auch umstritten waren. An der Dividende von 9,60 Euro je Aktie werden zudem keine Abstriche gemacht. Und für das laufende Jahr plant Bäte wieder mit einem operativen Gewinn von rund zwölf Milliarden Euro. Das sieht in der Tat nach Stärke im Angesicht einer globalen Krise aus.
Die weltweit 150 000 Beschäftigten des Konzerns bekommen für ihre Leistung im Pandemiejahr als eine Art Corona-Prämie einen Tag Zusatzurlaub, kündigte Bäte an. Mitarbeiterkinder werden zudem mit Laptops zum Homeschooling versorgt. Bäte verspricht auch, vorerst von nennenswertem Stellenabbau abzusehen, wenngleich er sich nicht immer vermeiden lasse. Der eingeschlagene Digitalisierungskurs, der menschliche Handarbeit vielfach durch Algorithmen und künstliche Intelligenz ersetzt, werde beibehalten. Die Assekuranz sei immer noch eine wenig produktive Branche, findet Bäte. Das könne man per Digitalisierung ändern, Ziel sei es, den Personalstand konstant zu halten, was aber nur gelingen könne, wenn die Allianz gleichzeitig profitabel wachse.
Das war 2020 bedingt der Fall. 140 Milliarden Euro Konzernumsatz bedeuten 1,3 Prozent weniger Erlös, was aber angesichts der Umstände als Erfolg gelten muss. Auch Versicherungsmakler mussten vielfach monatelang ihre Agenturen schließen und waren nur noch online oder telefonisch erreichbar. Policen für Reisen hat 2020 so gut wie niemand gebraucht, was sich aktuell fortsetzt. Viel zahlen mussten Allianz & Co. zudem für ausgefallene Veranstaltungen, was sich 2021 ebenfalls wiederholen könnte. Sollten die auf diesen Sommer verschobenen Olympischen Spiele in Tokio endgültig gestrichen werden, würde das allein die Allianz eine zweistellige Millionensumme kosten, räumt Bäte ein. Insgesamt veranschlagt Finanzchef Guilio Terzariol die 2021 erneut drohenden Corona-Lasten auf rund 300 Millionen Euro, was allerdings gegenüber den 1,3 Milliarden Euro des Vorjahrs eine spürbare Entlastung wäre. Das allein erklärt die bessere Gewinnprognose für 2021 größtenteils.
Es gibt zudem auch Geschäftsbereiche, die von der Pandemie völlig unbeeindruckt sind. So hat das Standbein Vermögensverwaltung 2020 den operativen Gewinn um rund sechs Prozent auf 2,9 Milliarden Euro gesteigert, obwohl die Zinsen im Dauertief verharren. Mit der schier unvorstellbaren Anlagesumme von 2,4 Billionen Euro ist die Allianz einer der größten Kapitalanleger der Welt. Netto kamen im Vorjahr rund 80 Milliarden Euro an Anlagegeldern dazu. Das bringt einige Expertise auf den Kapitalmärkten mit sich. Deshalb sollte man auch zuhören, wenn Bäte und Terzariol vor einem möglichen Börsencrash warnen. Die Situation sei vergleichbar mit der vor den letzten großen Zusammenbrüchen wie etwa der Finanzkrise oder dem Crash im Jahr 2000. „Ich mache mir große Sorgen um die Finanzmarktstabilität“, betont Bäte. Die Allianz hat deshalb ihr in Aktien gestecktes Anlagevolumen bereits um ein Zehntel reduziert, ergänzt Terzariol. „Da kauft irgendeine Celebrity irgendein Bitcoin und dann explodieren die Preise“, sagte Bäte. „Das ist schon ziemlich verrückt, da müssen wir wirklich aufpassen.“ Warnungen vor einer Spekulationsblase gab es zuletzt immer wieder. Doch dass sich Chefs eines Dax-Konzerns so deutlich äußern, ist eher selten.
Am stärksten unter Corona gelitten hat mit Sachversicherungen die dritte Säule des Allianz-Geschäfts, wo Veranstaltungsausfall und Betriebsunterbrechung (BU) angesiedelt sind. Letzteres bleibt ein Streitthema, weil die Allianz im Gegensatz zu Konkurrenten darauf beharrt, dass die Pandemie in ihren BU-Policen nicht abgedeckt sei.
Bäte räumte teils nicht eindeutige Vertragsformulierungen ein. In Deutschland klagen deshalb hunderte Gastronomen oder Hoteliers gegen BU-Versicherer wie die Allianz, die Zahlungen verweigern. „Das wird das Image unserer Industrie nicht fördern“, hat Bäte erkannt. Zahlen will die Allianz in solchen Fällen aber dennoch nicht.
Freier Tag zum Dank für die Mitarbeiter
Erinnert an Zeiten der Finanzkrise