Einkaufen ganz ohne Kontakte

von Redaktion

VON ERICH REIMANN UND MICHAEL BREHME

Renningen – Viele Verbraucher versuchen derzeit, die Infektionsgefahr beim Einkaufen so gering wie möglich zu halten – oft indem sie bargeldlos zahlen und manchmal auch, indem sie die Waren aus dem Einkaufskorb selber scannen, statt an der Kasse in der Schlange zu stehen. Die Corona-Krise ist dabei, das Einkaufen nachhaltig zu verändern.

Wohin diese Entwicklung mal gehen könnte, kann man seit gestern in Renningen beobachten: Am Bahnhof der Stadt im Kreis Böblingen testen die Deutsche Bahn und der Lebensmittelhändler Edeka ein Modell mit einem digitalisierten und rund um die Uhr geöffneten Mini-Supermarkt, der ohne Mitarbeiter auskommt. Stattdessen soll eine mechanische Anlage die von Kunden per Smartphone-App oder am Automaten bestellten Waren mithilfe einer Robotertechnik zusammensuchen und dann an einer Ausgabe bereitstellen. Zur Eröffnung des Marktes standen den Interessenten zunächst rund 300 verschiedene Produkte zur Verfügung. Später sollen es mal bis zu 800 werden.

Der Bahn zufolge handelt es sich um den bundesweit ersten voll digitalisierten 24-Stunden-Supermarkt an einem Bahnhof. Der Bahnhof Renningen ist einer von bundesweit insgesamt 16 sogenannten Zukunftsbahnhöfen der Deutschen Bahn. An diesen ausgewählten Stationen will der Konzern innovative Angebote erproben. Bezahlt werden kann bei dem Modellmarkt in Renningen zwar auch bar am Automaten – im Regelfall dürften die Kunden aber zur App oder zur Karte greifen.

Das passt zur Gesamtentwicklung: Nach einer Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI wurden 2020 eine Milliarde Einkäufe weniger mit Bargeld bezahlt als im Vorjahr. Insgesamt gingen damit 28 Milliarden Euro Bargeld weniger über die Ladentheken als 2019.

Und der Wandel findet überall statt – in den Supermärkten, aber auch bei den Discountern. Aldi-Süd berichtete, dass im Januar über 40 Prozent der Zahlungen mit Karte getätigt wurden. Etwa 60 Prozent davon kontaktlos. Edeka und Rewe berichteten ebenfalls, das bargeldlose Zahlen habe durch die Corona-Pandemie einen weiteren Schub bekommen.

Krisengewinner ist vor allem die Girocard. Die Umsätze mit der Girocard an den Einzelhandelskassen übertrafen 2020 erstmals die Barzahlungen, wie das EHI berichtete. Doch auch Kreditkarten werden beim Einkaufen öfter gezückt. Eine untergeordnete Rolle spielt aktuell noch das Zahlen mit dem Smartphone. Bei einer Umfrage der Beratungsgesellschaft EY unter 1600 Verbrauchern in Deutschland gab gut jeder fünfte Befragte an, sein Zahlungsverhalten während der Pandemie geändert zu haben und dies auch künftig beibehalten zu wollen.

Doch ist das Bezahlen ja nur ein Teil des Einkaufs. Vorher muss die Ware ausgesucht und gescannt werden. Und auch beim Scannen geht der Trend zunehmend zum Selbermachen, weil viele Verbraucher dies in der Pandemiezeit für hygienischer halten. „Im Lebensmittelhandel boomt das Thema und auch bei Drogerien nimmt es stetig weiter zu“, beobachtet EHI-Handelsexperte Frank Horst.

Lange Zeit setzte der Handel dabei in erster Linie auf Selbstbedienungskassen am Ausgang, wo der Einkauf vom Verbraucher – wie an der normalen Kasse – Stück für Stück aus dem Einkaufswagen genommen und gescannt werden musste. Doch mittlerweile gewinnt eine andere Lösung an Bedeutung: Apps, die es dem Kunden erlauben, die Einkäufe mit dem eigenen Handy zu scannen, wenn er sie in den Einkaufswagen legt. Am Ausgang muss der Kunde dann nur noch den „Jetzt zahlen“-Button auf dem Handy-Screen drücken und den dann erscheinenden QR-Code an einem Terminal am Ausgang einscannen. Oder er kann die Bezahlung sogar komplett über das Smartphone abwickeln.

Zu den Vorreitern dieser Lösung gehören die Supermarktkette Rewe und ihre Discounttochter Penny. Bereits im vergangenen Sommer startete die Rewe-Gruppe Testläufe mit einer Scan&Go-App in mehr als 100 Penny-Filialen und 50 Rewe-Märkten. Auch Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka hat mittlerweile eine Scan&Go-Funktion in die Edeka-App integriert. Beide Ketten wollen ihr Angebot ausweiten.

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