Wirtschaft schockiert vom Oster-Lockdown

von Redaktion

Mehrere Ökonomen kritisieren die jüngsten Lockerungen – Perspektive für den Handel

München – Die Wirtschaft läuft überwiegend Sturm gegen den Oster-Lockdown. Ökonomen dagegen reagieren gespalten. Und dann gibt es Hoffnung wegen eines unerwarteten bayerischen Öffnungsversprechens.

Dass die erneute Lockdown-Verabredung zwischen Bund und Ländern in der Wirtschaft auf Ablehnung stößt, war zu erwarten. Erstaunlich aber ist, dass Ökonomen überwiegend nicht das erneute Zusperren kritisieren, sondern vor allem die vorangegangenen Öffnungen. „Gescheitert“ nannte Clemens Fuest, der Präsident des Ifo-Instituts, die Öffnungsstrategie. Diese habe „mehr Schaden als Nutzen gebracht“, sagte Sebastian Dullien, der Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts. Und Marcel Fratzscher, der Chef des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sprach von einer unvermeidbaren Kehrtwende.

Michael Hüther, der Präsident des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, argumentierte in die Gegenrichtung: Die Verlängerung des Stillstands bedeute, dass es keine Perspektive gibt, sagte er dem TV-Sender ntv. Noch deutlicher wurde er gegenüber „Bild“. „Man hat die Sterberate in den Altenheimen einfach hingenommen“, kritisierte er. Und erstaunlich harsch ging er mit der Politik ins Gericht: „Wir haben die falsche politische Führung“. Die Entscheidungsfindung verglich er mit einem „Freizeitpark, in dem jeder macht, was er will.“ Doch was kann man besser machen? Es müsse entschieden werden, sagte Hüther. „Da macht man vielleicht Fehler, es wird aber wenigstens ein Lernen daraus.“

Sehr viel einheitlicher ist die Front der Branchenvertreter. „Dass wir ein Jahr nach dem ersten Lockdown immer noch den Notausgang aus dem Pandemie-Tunnel suchen, kommt einer Bankrotterklärung der Corona-Politik gleich“, sagt Eberhard Sasse, Präsident der Industrie- und Handelskammern in Bayern. Und Handwerkspräsident Franz Xaver Peteranderl weist auf die dramatische Lage von Handwerkern mit Läden hin: Gold- und Silberschmiede, Maßschneider, Uhrmacher und Keramiker. Dabei sei deren Kundenfrequenz einfach zu steuern. Wirklich verzweifelt klingen die Reaktionen aus besonders betroffenen Branchen: „Mit diesen Beschlüssen sind wir nun endgültig im freien Fall“, kritisierte der Gesamtverband Textil+Mode. „Null erkennbare Öffnungsperspektive“ ist für Michel Rabe, den Generalsekretär des Bundesverbands der deutschen Tourismuswirtschaft, in den Beschlüssen erkennbar. „Dieser Beschluss vergrößert einmal mehr die Existenzängste wie auch den Frust in den Betrieben der Tourismusbranche.“

Immerhin eine Branche kann ein bisschen Hoffnung schöpfen. Kleine lokale Handelsgeschäfte. Seit Wochen kämpfen Vertreter von Innenstadtverbänden aus Oberbayern gegen die Verödung brachliegender Innenstädte.

Manche von ihnen werden sich verwundert die Augen gerieben haben. Gerade noch hatten sie die Möglichkeiten eines Einkaufens nach Voranmeldung („Click and Meet“) auch bei einer Inzidenz über 100 gefordert. Nun hörten sie eben diesen Vorschlag aus dem Mund des bayerischen Ministerpräsidenten: Markus Söder will Einkaufen bis zu einer Inzidenz von 100 zulassen, „Click and Meet“ bis zu einer Inzidenz von 200 und für alle Geschäfte das Abholen nach einer Bestellung online oder per Telefon („Click and Collect“) sogar bei einer höheren Anzahl positiver Tests. Das hat Söder zwar erst für die Zeit nach Ostern angekündigt. Doch die Botschaft saß. „Da wurde für den Handel eine Tür aufgestoßen“, sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern, gegenüber unserer Zeitung. Allerdings befürchtet er, dass rasch ansteigende Infektionsraten den Effekt dieser angekündigten Lockerung bereits vor ihrem Inkrafttreten möglicherweise zunichtemachen können.

MARTIN PREM

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