Frankfurt – Zählen ist nicht mehr einfach. Gestern hat der Deutsche Aktienindex Dax erneut einen Rekord verbucht. Das Niveau ist mittlerweile atemberaubend. Auf mehr als 15 311 Zähler schraubte sich das Börsenbarometer nach oben. So viel hatten Optimisten nicht einmal für das Jahresende im Blick. Seit März 2020 hat der Dax um 85 Prozent zugelegt.
Für den erstaunlichen Aufschwung lassen sich gute Gründe anführen. Am Aktienmarkt wird die Zukunft gehandelt. Da dominiert Zuversicht. Die Wirtschaft wird sich rasch erholen, wenn das Impfen vorankommt und Lockdowns überwunden sind. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat gerade seine Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft in diesem Jahr auf 6,0 Prozent angehoben, 0,5 Punkte mehr als noch im Januar. An der Börse blickt man vor allem auf Asien und besonders auf China. Dort brummt die Wirtschaft.
Die Wirtschaft wird sich auch rasch erholen, heißt es an der Börse, weil Verbraucher in der Pandemie einen dreistelligen Milliardenbetrag zur Seite gelegt haben. Reisen sind praktisch unmöglich, Restaurants und Hotels geschlossen, der Handel nur sporadisch geöffnet. Fallen Beschränkungen weg, werden die Menschen reisen, konsumieren und Milliarden ausgeben. Was nicht, investieren sie möglicherweise in Aktien oder Aktienfonds.
Treibsatz für die Börse sind auch die Niedrigzinsen. Experten erwarten einen Anstieg erst 2025. Auch Corona-Krisenprogramme im Billionen-Volumen drücken Renditen und Zinsen. Sparanlagen und Anleihen sind mehr als unattraktiv. Wer dort anlegt, wird Geld verlieren. Das Geschehen an der weltgrößten Börse in New York wirkt wie Doping. An der Wall Street hangeln sich Dow Jones und S&P 500 von Rekord zu Rekord.
Risiken sind aber nicht verschwunden. Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Pandemie und damit auch des Wirtschaftsgeschehens ist hoch, heißt es beim IWF und der Bundesbank. Gibt es neue Mutationen? Wird rasch geimpft? Wird das Gesundheitswesen überlastet? Kommt eine Pleitewelle? Irgendwann müssen die Notenbanken zu einer normaleren Geldpolitik zurückfinden, die Zinsen wieder anheben. Selbst wenn das noch dauert, kann niemand einen zeitweisen Einbruch der Aktienkurse ausschließen. Die Bewertung ist sehr hoch. Die Notenbanken werden kaum reagieren, sollte es zu einem Crash kommen. Wie auch: Sie agieren schon seit Jahren mehr als großzügig. Übertrieben erscheinen derzeit aber Inflationssorgen, auch wenn es in diesem Jahr in der Eurozone zwischenzeitlich auf mehr als zwei oder gar drei Prozent nach oben gehen kann. 2022 und 2023 erwarten die europäischen Währungshüter jeweils wieder weniger als 1,5 Prozent.
Gleichwohl gilt: Genau hinschauen, mit Bedacht investieren – nur in Unternehmen, deren Geschäft man versteht oder die auf Zukunftstechnologien, Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichtet sind. Oder streuen über Fonds oder günstigere ETFs. Und Geld nutzen, das für mindestens fünf Jahre, besser noch länger eingesetzt werden kann. Damit lassen sich zwischenzeitliche Kurseinbrüche aushalten. Bei Zeiträumen von mehr als 20 Jahren wirft ein breit gestreutes Aktiendepot – alle Tiefs eingerechnet – im Schnitt jährlich eine Rendite von im Schnitt sechs bis neun Prozent ab.