München – Das Konsumverhalten der Verbraucher beschäftigt Einzelhändler jeden Tag. Aber auch die Wissenschaft befasst sich mit der Frage, warum die Menschen was kaufen. Auch andere Entscheidungen werden nicht nur vom Verstand, sondern auch von Emotionen geleitet. Hans-Georg Häusel zählt zu den führenden Experten in der Marketing-, Verkaufs- und Management-Hirnforschung. Neuromarketing ist sein Metier. Aufschlüsse um Konsumenten und ihre Entscheidungsfindung liefert seine neueste Veröffentlichung namens „Life Code“.
Herr Häusel, Life Code hört sich ein bisschen so an, als gebe es eine Formel, mit der wir unser Leben programmieren können. Wie lautet die?
Programmieren ist vielleicht ein bisschen zu viel. Ich würde sagen: um das Leben besser zu verstehen. Was ich mit dem Life Code zeigen will: Bei allem was wir tun, sowohl im privaten als auch im wirtschaftlichen Bereich, führen unsere Emotionen Regie. Denn über 70 Prozent unserer Entscheidungen treffen wir unbewusst. Wir können aber viel besser über unser Leben bestimmen, wenn wir die Logik dieser Emotionssysteme verstehen.
Was steckt hinter dieser Logik?
Man muss nur wissen, dass es neben unseren Basis-Bedürfnissen wie Essen und Sex noch vier Emotionssysteme gibt, die unser Leben bestimmen. Das Balancesystem löst bei uns das Gefühl von Sicherheit aus, das Harmoniesystem ist für Geborgenheit und Fürsorge da. Wegen unseres Stimulanzsystems werden wir neugierig und das Dominanzsystem will, dass wir uns durchsetzen.
Was bedeutet das für den Alltag?
Man muss die Konflikte zwischen den Emotionssystemen erkennen, um autonomer handeln zu können. Wenn ich zum Beispiel die Chance auf eine Beförderung habe, dann sagt mein Dominanzsystem: Mach das, der Porsche steht schon quasi vor der Tür. Wenn die Karriere aber mit 20 Prozent mehr Arbeit verbunden ist und ich zwei kleine Kinder zu Hause habe, dann signalisiert mir mein Harmoniesystem, dass der Preis dafür vielleicht zu hoch ist. Es geht also darum, einigermaßen die Mitte zu finden.
Wie beeinflusst das unser Konsumverhalten?
Wir kaufen Produkte, um unsere Wünsche zu erfüllen – und diese Wünsche kommen aus unseren Emotionssystemen. Hersteller beschäftigen sich sehr viel damit, wie sie ihre Marken emotionalisieren, etwa durch Werbefilme und Produktverpackungen. Beispiel Biermarken: Das Naturmotiv in der Krombacherwerbung verspricht Harmonie, während die Partywerbung von Becks eher abenteuerlich ist. Unternehmen laden ihre Produkte mit Emotionen auf, um verschiedene Zielgruppen an sich zu binden. Emotionen schaffen außerdem einen zusätzlichen Wert, weshalb Konsumenten eher dazu bereit sind, mehr Geld auszugeben, wenn sie sich mit dem Produkt identifizieren können.
Und es reicht, das zu erkennen, um sich kein teures Zeugs mehr andrehen zu lassen?
Im Grunde genommen ja. Unser Gehirn ist faul und denkt nicht so gern über jede Entscheidung nach. Man akzeptiert Botschaften und geht durch den Alltag, ohne ständig alles infrage zu stellen. Das macht Menschen beeinflussbar. Oft reicht es, vor einer Entscheidung Abstand von der Situation zu nehmen, um sie besser kontrollieren zu können. Heißt: Beim Einkaufen ruhig mal eine Pause machen und bei einem Kaffee darüber nachdenken, ob man die neue Jeans wirklich braucht. Bei großen Anschaffungen am besten eine Nacht drüber schlafen.
Geben Sie gar kein Geld für unnötige Sachen aus?
Ich bin kein Konsumverweigerer und habe immer noch Freude am Einkaufen. Aber mein Konsumverhalten hat sich vor allem mit dem Alter verändert. Ich bin fast 70 Jahre alt, mein Testosteron geht runter – wodurch mein Dominanzsystem eher in den Hintergrund rückt. Mein Jugendtraum vom Sportwagen spielt keine Rolle mehr. Mode interessiert mich auch nicht mehr. Ich gebe gern Geld dafür aus, meine Wohnung schön zu machen. Ich kaufe wenig Wein, aber dafür mal einen besonders guten.
Interview: Kathrin Braun