Dritte Welle verzögert den Aufschwung

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Die Wirtschaftsforscher wirken entspannt, obwohl sie einen verzögerten Wirtschaftsaufschwung voraussagen. Statt im Herbst prognostizierter 4,7 Prozent wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland dieses Jahr nur um 3,7 Prozent steigen, sagen die fünf großen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten voraus. Geschuldet ist das der dritten Pandemiewelle, die noch einmal einen wirtschaftlichen Einbruch beschert hat. „Aufgrund des anhaltenden Shutdowns dürfte die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal um 1,8 Prozent gesunken sein“, schätzt der Konjunkturchef des RWI, Torsten Schmidt.

Sobald die Fesseln der Pandemie fallen, werde sich die Wirtschaft aber sehr rasch erholen, betonen die Forscher zugleich. Das habe vor allem mit aufgestautem Konsum im Umfang von über 200 Milliarden Euro zu tun, der sich schnell in Wachstum umsetzen dürfte, sobald Verbraucher wieder ungehemmt konsumieren können.

Für 2022 sagen die Experten dann ein um 3,9 Prozent höheres BIP voraus. Damit wäre Anfang kommenden Jahres die Pandemiedelle ausgebeult und die hiesige Wirtschaftsleistung wieder auf einem Niveau wie vor dem Pandemieausbruch. 2020 war das BIP um 4,9 Prozent eingebrochen. Zwei Jahre Wachstum bleiben damit aber verloren. Überhaupt hinke Europa in puncto Erholung den USA und vor allem China klar hinterher, erklären die Forscher.

Weitgehend Entwarnung gibt das Quintett der Institute dagegen hinsichtlich Firmenpleiten. Sie erwarten dabei zwar einen Anstieg, sobald die Anmeldepflichten für Insolvenzen wieder in Kraft gesetzt werden, aber keine übermäßige Welle vor allem nicht in der für Deutschland wichtigen Exportindustrie.

In ihrer Korrektur bisheriger Prognosen unterstellen die Forscher, dass coronabedingte Einschränkungen erst einmal noch verschärft und ab Mitte Mai dann langsam gelockert werden könnten, um bis Ende September dann ganz auszulaufen. Es könnte aber auch schlechter kommen, falls etwa Virusmutanten für weitere Verzögerungen sorgen – oder andersherum besser, falls sich die aufgestaute Kaufkraft energischer entlädt, als in der Prognose unterstellt. Falls die eintrifft, dürfte die Arbeitslosenquote in Deutschland dieses Jahr leicht von 5,9 auf 5,7 Prozent schrumpfen und 2022 weiter auf 5,2 Prozent abnehmen. Den Wert von 2019 mit 5,0 Prozent würde sie damit aber auch kommendes Jahr noch übertreffen.

Nicht nur deshalb machen sich die Forscher ernste Gedanken über eine Ausweitung der Beschäftigung in Deutschland. Denn während sie die Pandemiefolgen im Kern nur als vorübergehend ansehen, stehe mit der Überalterung der Gesellschaft eine neue und strukturelle Krise schon am Horizont. Bis 2030 koste das Herausfallen vieler Deutscher aus dem erwerbsfähigen Alter der heimischen Wirtschaft rund einen Prozentpunkt Wachstum. Das lag in den Jahren vor der Pandemie aber nur wenig über ein Prozent. „Wir bewegen uns auf die Null zu“, stellte Schmidt perspektivisch klar. Da müsse die neue Bundesregierung gegensteuern. Im Gutachten machen die Forscher dazu teils unangenehme oder schwer vermittelbare Empfehlungen wie eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters oder mehr qualifizierte Zuwanderung. Kurzfristig sollten vor allem Unternehmensgründungen stärker gefördert werden.

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