Truger: Corona-Hilfen verlängern

von Redaktion

Herr Professor Truger, im Kampf gegen die Pandemie will die Bundesregierung nun bundeseinheitliche Regelungen durchsetzen. Was bedeutet das für die Konjunktur?

Für die Konjunktur ist es von zentraler Bedeutung, dass die Pandemie besiegt wird. Wenn unvorsichtige Alleingänge bei Lockerungen in einzelnen Bundesländern dies verhindern, ist eine bundeseinheitliche Lösung auch für die Konjunktur die bessere Alternative. Die bisher häufig auf Druck der Wirtschaft beschlossenen Lockerungen haben wesentlich zur zweiten und dritten Corona-Welle beigetragen. Über die Verschärfung und Verlängerung der Pandemie hat das letztlich auch der Wirtschaft geschadet.

Der Sachverständigenrat ist bislang von einer V-förmigen Entwicklung ausgegangen, also einem Szenario, bei dem auf einen steilen Abschwung ein steiler Aufschwung folgt. Gilt diese Annahme noch oder könnte der Aufschwung womöglich doch noch länger auf sich warten lassen?

Schon seit dem Ende des vergangenen Jahres lässt sich die Konjunktur nicht mehr gut mittels Buchstaben beschreiben. Im vergangenen Jahr zeigte sich nach dem Abflauen der ersten Corona-Welle tatsächlich nach tiefem Absturz zuvor eine sehr kräftige Erholung. Spätestens seit der zweiten Welle pausiert die Erholung. Der sehr guten Entwicklung in der Industrie steht in den von Schließungen und Einschränkungen betroffenen Bereichen eine ganz schwache Entwicklung gegenüber. Das bremst die Erholung zurzeit aus. Dies wird sich so lange fortsetzen, bis die Pandemie unter Kontrolle ist. Spätestens ab dem dritten Quartal sollte es jedoch kräftiger aufwärts gehen.

Aber die Vorsicht wächst. Erst am Donnerstag haben die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognose für das laufende Jahr zurückgenommen. Auch der Sachverständigenrat erwartet für 2021 inzwischen nur noch ein Wachstum von 3,1 Prozent. Im November waren Sie noch von einem Plus von 3,7 Prozent ausgegangen. Lässt sich dieser Ausblick vor dem Hintergrund des anhaltenden Lockdowns überhaupt halten?

Ich sehe im Moment keinen Grund, unsere Sachverständigenratsprognose weiter herunterzusetzen. So schlimm es für die betroffenen Menschen ist, der Anteil der besonders betroffenen Bereiche des Einzelhandels und von Hotels und Gaststätten an der Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft ist relativ gering.

Angesichts der schleppenden Konjunktur nimmt die Diskussion um weitere Wirtschaftshilfen wieder Fahrt auf. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat am Donnerstag seine Bereitschaft signalisiert, die Konjunktur mit weiteren Milliarden zu stützen. Ist das nötig?

Auf jeden Fall muss die Unterstützung für Wirtschaft und Beschäftigte so lange aufrechterhalten werden, wie die Einschränkungen anhalten und die Erholung sich verzögert. Außerdem ist nicht sicher, ob es nicht zusätzliche Maßnahmen braucht, um die Erholung nach der Krise anzuschieben. Ganz wichtig für die öffentlichen Investitionen ist es aus meiner Sicht aber auch, die Kommunen als größte öffentliche Investoren stärker als bislang finanziell zu unterstützen. Das Konjunkturpaket kompensierte die Einnahmenausfälle nur für 2020, die Einnahmenausfälle setzen sich jedoch in diesem und im kommenden Jahr fort.

Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht sinnvoll, um der Wirtschaft rasch auf die Beine zu helfen?

Als akute Krisenunterstützung wäre für die Unternehmen eine Ausweitung des Verlustrücktrags sinnvoll, für die Beschäftigten mit geringeren Einkommen könnte ein Mindest-Kurzarbeitergeld helfen. Das würde verhindern, dass sie in die Grundsicherung fallen. Demselben Ziel würde eine Verlängerung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld dienen.

Um den Konsum anzukurbeln, haben die Grünen sich für „Kauf-vor-Ort-Gutscheine“ von 250 Euro pro Kopf stark gemacht. Der Handelsverband wünscht sich sogar 500 Euro. Würde das wirklich etwas bringen?

Ich halte das grundsätzlich für sinnvoll, weil es gezielt den im Lockdown geschlossenen Branchen nach der Krise eine Perspektive bietet. Auch andere Maßnahmen wären denkbar, so gibt es in Wien etwa eine Prämie für Neuanmietungen von leer stehenden Geschäftsflächen.

Aber Einkaufsgutscheine für alle entsprächen je nach Größenordnung einem Gesamtvolumen von 20 bzw. 40 Milliarden Euro. Gleichzeitig sitzen die Verbraucher in Deutschland auf Sonder-Ersparnissen von 200 Milliarden Euro, weil Geschäfte, Restaurants oder Autohäuser schlicht geschlossen waren und Urlaubsreisen praktisch unmöglich. Braucht es da wirklich den Scheck vom Bund?

In solche Dimensionen muss es sicher nicht gehen. Die Politik sollte sich auch ganz generell auf zusätzliche Unterstützung für den privaten Konsum vorbereiten: Erstens ist nicht ausgemacht, dass die Ersparnisse zu einem großen Teil in Konsum fließen. Zweitens gibt es viele von der Krise betroffene oder generell Menschen mit niedrigen Einkommen, die zum Beispiel von einem erneuten Kinderbonus profitieren würden. Das würde gleichzeitig die Erholung unterstützen.

Der Handelsverband und die Hotellerie drängen zudem eindringlich auf eine Ausweitung der Höchstfördergrenzen. Große Filial- oder Hotelketten können ihre Kosten mit niedrigen einstelligen Millionenhilfen auch nicht annähernd decken. Muss der Bund hier noch mal ran, auch in Brüssel?

Das ist rechtlich tatsächlich schwierig. Grundsätzlich finde ich allerdings, dass möglichst viele Betriebe mit einem tragfähigen Geschäftsmodell durch die Corona-Krise kommen müssen. Da sollte die Politik alles tun – die Ausweitung des Verlustrücktrags könnte auch dabei helfen. Interview: Thomas Schmidtutz

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