München – Kaum ein Wirtschaftssektor ist so vielfältig wie der Bereich der Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften in Bayern. Das Spektrum reicht vom Energieversorger über Lebensmittelverarbeiter bis hin zum Einzelhandel und IT-Dienstleistern. Die Gruppe von 1000 Unternehmen aus 35 Branchen ist mit Zuwächsen durch den bisherigen Verlauf der Corona-Krise gekommen: Der Umsatz stieg 2020 um 2,4 Prozent auf 13,4 Milliarden Euro, das Ergebnis sogar um 7,5 Prozent auf 331,7 Millionen Euro.
Also alles gut überstanden? Nicht ganz, wenn man in die Details geht. „Die Genossenschaften sind ein Abbild der wirtschaftlichen Situation“, sagt Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Die Spaltung in Gewinner und Verlierer geht sogar durch einzelne Branchen. Etwa bei den Molkereien. Da gibt es welche, die vorwiegend den Einzelhandel beliefern, wie die Milchwerke Berchtesgadener Land Chiemgau EG. Für diese große Marke im Lebensmittel-Einzelhandel liefen die Geschäfte gut. Dann aber gibt es auch die Bayerische Milchindustrie Landshut, die ihren Schwerpunkt bei den Großverbrauchern hat, darunter die Gastronomie. Solche Genossenschaften waren vom Lockdown mehrfach betroffen. Die wichtigsten Abnehmer fielen weitgehend aus. Die Kühe gaben aber weiter Milch, die verarbeitet werden mussten. Vielen blieb gar nichts übrig, als Milchpulver zu Niedrigpreisen auf den Weltmarkt zu werfen, was auch noch durch knappe Transportkapazitäten erschwert wurde. Weil die Arbeit anfiel, war Kurzarbeit nicht möglich. Und weil immer noch Umsätze verbucht wurden, fielen diese Unternehmen durchs Raster der Corona-Hilfen.
Ganz ähnlich die Situation bei den genossenschaftlichen Brauereien. Die Winzergenossenschaften konnten dagegen Umsatzzuwächse um 4,4 Prozent auf 94,7 Millionen Euro melden. Richtig gut liefen die Geschäfte aber nicht. Weil margenstarke Vertriebswege auf Weinfesten oder in Vinotheken ausfielen, brach das Ergebnis um 30 Prozent auf knapp über zwei Millionen Euro ein. Ähnlich gespalten war die Lage bei den Handelsgenossenschaften. Umsatzzuwächse und ein deutlicher Ergebnisrückgang – wobei die Zuwächse vor allem durch den Handel im Gesundheitsbereich erzielt wurde.
Bei den Dienstleistern sorgten vor allem IT-Dienstleister für Zuwächse, tourismusnahe Bereiche – etwa Taxisgenossenschaften – litten unter dem Lockdown.
Im genossenschaftlichen Energiesektor zeichnen sich Gewichtsverschiebungen ab: Während von den vorher vier genossenschaftlichen Windkraftbetreibern einer den Betrieb einstellte, profitierten Photovoltaikbetreiber vom Zubau und 60 zusätzlichen Sonnenstunden. Der Ergebniszuwachs um 30,9 Prozent erklärt sich aber anders: Weil viele Anlagen inzwischen abgeschrieben sind, mindern nur noch geringe Abschreibungen das Ergebnis. Einen anhaltenden Zuwachs gibt es bei den Nahwärmeerzeugern, die ganze Siedlungen mit Heizwärme versorgen. Sie profitieren davon, dass Ölheizungen zunehmend zum Auslaufmodell werden. Auch Biogasgenossenschaften konnten durch einen höheren Wärmebedarf die rückläufigen Strompreise mehr als ausgleichen.
Trotz aller Schwierigkeiten sieht Gros „keine Anzeichen dafür, dass es coronabedingt zu Insolvenzen unter den Genossenschaften kommen könnte. Er erklärt das mit der guten Kapitalsituation der Unternehmen. VON MARTIN PREM