München/Berlin – Die Corona-Pandemie hat den Trend zum Leben im ländlichen Raum verstärkt. In einigen Regionen stiegen die Preise für Einfamilienhäuser sogar schon stärker als in den Großstädten, wie Experte Harald Simons bei der Vorstellung des Frühjahrsgutachtens der Immobilienwirtschaft sagte. „Das ist ein echter Trendbruch.“
Vor allem ab einem Lebensalter von etwa 30 Jahren ziehe es die Menschen wieder verstärkt in den ländlichen Raum, und zwar auch in von Metropolen weiter entfernt gelegene Regionen, heißt es im Frühjahrsgutachten des Branchenverbandes Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA). Die Corona-Pandemie habe diesen Trend verstärkt: Zahlreiche Vorteile des Lebens in der Stadt seien – zumindest temporär – weggefallen, während der Nachteil der hohen Wohnkosten bestehen bleibe.
„Die Abwägung zwischen Stadt und Land verschiebt sich weiter“, sagte Simons. Deutlich mehr Arbeitnehmer als früher könnten zeitweise von zuhause arbeiten, die „unseligen Dienstreisen“ fielen weitgehend weg, sodass es nicht mehr so wichtig sei, ob Bahnhof oder Flughafen in der Nähe sind. Auch der Einzelhandel spreche nicht mehr unbedingt für die Stadt: „Den Reblochon-Käse oder den schicken Pulli kann ich mir auch liefern lassen – dazu muss ich nicht mehr in die Stadt fahren“, sagte Simons.
Die Autoren appellierten an die Politik, den Trend raus aufs Land „wohlwollend zu begleiten“. Für die ländlichen Räume biete er eine Chance zur wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und demografischen Stabilisierung, heißt es im Gutachten. Die Neuvertragsmieten stiegen weiter, auf durchschnittlich 7,60 Euro pro Quadratmeter im letzten Quartal 2020, wie Carolin Wandzik ausführte, Geschäftsführerin des Gewos-Instituts für Stadt- Regional- und Wohnforschung. Das war ein Anstieg um 3,3 Prozent.
Der Markt für Büroimmobilien werde sich nach der Corona-Krise „schnell erholen können“, sagte Andreas Schulten vom Analyseunternehmen Bulwiengesa. Der Leerstand betrug laut Gutachten 2020 nur 3,8 Prozent.
Bei Einzelhandelsimmobilien dagegen sieht es teils düster aus. Die Corona-Krise werde dafür sorgen, dass sich „weitere Leerstände im Stadtbild manifestieren“, heißt es im Gutachten. Michael Gerling, Geschäftsführer des EHI Retail Institute in Köln, sagte: „In den Städten haben wir einiges an Sorgen noch vor uns.“ Es müsse etwas getan werden, um die Städte wieder zum Leben zu erwecken, etwa durch Sonntagsöffnung. afp