Rentenbesteuerung auf dem Prüfstand

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Es ist ein Doppelverfahren, das hierzulande Millionen bestehender und künftiger Rentner betrifft. Denn vor dem Bundesfinanzhof (BFH) in München steht kommenden Mittwoch das Verbot der sogenannten Doppelbesteuerung von Renten auf dem Prüfstand. Kläger in den Verfahren mit den Aktenzeichen XR 20/19 und XR 33/19 sind zwei über 70-jährige Senioren und deren Ehepartnerinnen, die stellvertretend für viele andere Ruheständler geltend machen, steuerlich übervorteilt zu werden.

Sollte der BFH ihnen zumindest in wesentlichen Punkten folgen, wofür es Anzeichen gibt, könnten die Folgen für Deutschlands Rentner sowie für Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) weitreichend sein.

Ausgangspunkt des seit Jahren schwelenden Streits war das Bundesverfassungsgerichts (BVG). Das hatte 2002 die unterschiedliche Besteuerung von Beamtenpensionen sowie Sozialversicherungsrenten für die breite Masse der Bevölkerung für verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung verlangt. Dem ist das Bundesfinanzministerium 2005 per Alterseinkünftegesetz nachgekommen.

Dessen Kern war, dass normale Renten wie die Pensionen von Beamten voll besteuert werden. Das gilt allerdings erst ab 2040. Für die Zeit von 2005 bis dahin wurde eine komplizierte Übergangsregelung geschaffen. Im Gegenzug zur sukzessive vollen Besteuerung wurden Einzahlungen in die Rente als Sonderausgaben zu Erwerbszeiten unmittelbar absetzbar.

Dieses Prinzip nennt man nachgelagerte Besteuerung. 2005 wurde die Hälfte der Rente neuer Ruheständler steuerpflichtig. Dieser Anteil stieg bis 2020 um zwei Prozentpunkte jährlich. Seit diesem Jahr wird der Anteil der steuerpflichtigen Rente perannum um einen Prozentpunkt erhöht, womit er für Neurentner nun bei 81 Prozent liegt.

Zweites Element des Rentengesetzes von 2005 ist eine Entlastung von Steuerzahlern im Berufsleben, die auch zeitlich gestaffelt ist. Ein jährlich steigender Anteil der Rentenversicherungsbeiträge bis zu einem bestimmten Höchstbetrag wird damit steuerlich absetzbar. 2005 begann das mit 60 Prozent. Jedes Jahr kommen seitdem zwei Prozentpunkte dazu. 2021 liegt die Quote bei 92 Prozent. 2025 werden es 100 Prozent sein.

Strittig wird es, weil der steuerfreie Anteil der Rente über die Jahre mindestens so hoch sein muss wie die Beitragszahlungen zur Altersvorsorge aus versteuertem Einkommen während des Berufslebens. Andernfalls läge hier eine unzulässige Doppelbesteuerung vor. Ein im Erwerbsleben schon per Einkommensteuer versteuerter Euro würde dann bei Rentenbezug erneut also doppelt besteuert.

Genau das sei bei ihnen der Fall, behaupten ein 78-jähriger Steuerberater aus Baden-Württemberg und ein 74-jähriger Zahnarzt aus Hessen vor dem BFH. Letzterer klagt mit Unterstützung des Bunds der Steuerzahler. Der Zahnarzt, dessen spezieller Fall für weitere Teile der Bevölkerung relevant ist als der des Steuerberaters, steht nicht zum ersten Mal vor dem Gericht. Schon 2016 hatte der BFH eine Entscheidung des Finanzgerichts zur Besteuerung der Rente des Klägers aufgehoben. Nachdem dieses die Klage des Zahnarzt wegen doppelter Besteuerung aber auch im zweiten Anlauf abgewiesen hat, muss der BFH nun für Klarheit sorgen. Entschieden wird aber nur über die Rechtmäßigkeit der Rentenbesteuerung in der Zeit der Übergangsphase bis 2040.

Am bedeutendsten für Steuerzahler, Rentner und Staatskasse ist dabei die Frage, wie der steuerfreie Anteil der Renten berechnet wird. Das ist nicht so trivial, wie es klingt. Denn für das Bundesfinanzministerium ist zum Beispiel der Grundfreibetrag ein Teil der steuerfreien Rente, obwohl dieses Existenzminimum für jedermann und nicht nur Rentner verfassungsrechtlich geschützt ist. Ähnlich umstritten sind Beiträge, die Rentner zur Kranken- und Pflegeversicherung leisten und die der Staat ebenfalls dem steuerfreien Rententeil zurechnet. Wäre das anders so, wären für Senioren de facto größere Teile ihrer Rente steuerfrei. Gerade in diesen beiden Punkten – Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie Grundfreibetrag – weisen Experten den Klägern die größten Erfolgsaussichten zu.

Ein Urteil will der BFH Ende Mai fällen. In den mündlichen Verhandlungen beider Beispielfälle am Mittwoch wird aber eine vorläufige Rechtsauffassung des verhandelnden zehnten BFH-Senats erwartet. Die dürfte klarmachen, in welche Richtung das Urteil geht. Sollten sich die Kläger ganz oder teilweise durchsetzen, würde das rein juristisch gesehen noch keine sofortige Gesetzesänderung erzwingen. Das wäre dem BVG vorbehalten, dem das BFH-Urteil dann als Vorlagebeschluss zugeht.

Artikel 5 von 8