München – Die bayerischen Unternehmen sind optimistisch: 40 Prozent beschreiben ihre Lage mindestens als gut und erwarten wegen der erhofften Öffnungen bessere Geschäfte. Das geht aus der größten bayerischen Konjunkturumfrage hervor, an der etwa 3900 Betriebe teilgenommen haben. Die Ergebnisse der Erhebung präsentierte der Geschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) Manfred Gößl gemeinsam mit BIHK-Präsident Eberhard Sasse gestern in München.
„Die Geschäftserwartungen sind sehr positiv, das liegt vor allem an der Hoffnung, dass wir nach Pfingsten weitestgehend öffnen dürfen“, erklärte Gößl. Einen Großteil dieses Optimismus trüge die Tourismuswirtschaft, da das Übernachtungsgewerbe nach der Öffnung überhaupt erst arbeiten dürfe. „Zurzeit liegt die bayerische Tourismuswirtschaft am Boden, sie hat außer den Hilfszahlungen keine Einnahmen“, betonte Gößl. Zur Tourismuswirtschaft gehören Gastronomie, Hotellerie, Reiseagenturen und Transportunternehmen. Viele von ihnen zählen zu den hochgerechnet 130 000 der eine Million bayerischen Unternehmen, die ihre wirtschaftliche Lage als schlecht (100 000) oder existenzbedrohend (30 000) beschreiben. In der BIHK-Umfrage gaben sogar 22 Prozent an, in einer schlechten wirtschaftlichen Lage zu sein.
Gößl hofft nun auf die versprochene Öffnung für Messen, denn diese „helfen der Touristik mehr als jede Förderung“. In diesem Kontext dürfe man die noch nicht voll geöffneten Geschäfte nicht vergessen. „Die Läden in den Innenstädten und Mittelzentren haben gerade nur 30 bis 40 Prozent ihrer üblichen Umsätze“, sagte Gößl, wovon meist auch die Mieten bezahlt werden müssten. Dem gegenüber steht ein kraftstrotzender Online-Handel, der dieses Quartal um 40 Prozent zulegte. Die Zukunft des Einzelhandels liege deshalb in einer Verknüpfung aus stationärem und Online-Geschäft.
Trotz der prekären Lage vieler Unternehmen sieht der BIHK keine Insolvenzwelle anrollen: „2020 sind die Insolvenzmeldungen sogar zurückgegangen. Es wird aber stille Insolvenzen geben, also Selbstständige, die einfach aufhören und deshalb nicht in den Statistiken auftauchen.“ Umso mehr begrüßte Gößl, dass seit Dienstag die sogenannte Härtefallhilfe greift, die jenen Firmen helfen soll, die bisher durch das Netz der staatlichen Hilfen gefallen sind. Insgesamt seien 4,6 Milliarden Euro an Corona-Hilfen ausgezahlt worden, Gößl spricht von der „größten Hilfe aller Zeiten für den bayerischen Mittelstand“. Die Hilfen müssten auch unbedingt weiter fließen, denn obwohl die Konjunktur sich im Mittel erhole, gehe es vielen Unternehmen noch sehr schlecht. Zugpferd des Aufschwungs ist die bayerische Industrie, die ein Viertel der Bruttowertschöpfung erwirtschaftet, sogar mehr als vor Corona. Das liegt vor allem an den wichtigsten Handelspartnern. Das sind China und die USA. Denn mehr als jeden zweiten Euro verdient die bayerische Industrie im Ausland.
Durch die neuen Perspektiven stabilisiert sich der bayerische Arbeitsmarkt zum ersten Mal seit einem Jahr, 18 Prozent der Unternehmen wollen einstellen, 18 Prozent Stellen streichen. Vor allem wegen der kleineren Unternehmen im Inland fordert die BIHK-Spitze eine stabile Öffnungspolitik: „Wir wollen kein Öffnungswirrwarr, sondern klare Regeln, nach denen die Unternehmen planen können“, so Eberhard Sasse. Gößl ergänzte: „Viele Unternehmen müssen Räume anmieten und Personal einstellen. Falls im Herbst der nächste Lockdown kommt, werden viele nicht mehr aufsperren.“
Denn die Inlandsnachfrage ist nach Ansicht der befragten Unternehmen einer der größten wirtschaftlichen Risikofaktoren im Frühjahr 2021. Dicht gefolgt ist die Angst vor dem Fachkräftemangel. „Ab 2025 gehen die Babyboomer in Rente, danach folgen 15 Jahre, in denen wir mehr Renteneintritte als Schulabgänge haben“, prognostizierte Gößl.
Als weiteren großen Risikofaktor identifizieren die Unternehmen die hohen Energie- und Rohstoffpreise. Sasse fordert deshalb eine Senkung der Stromsteuer von circa zwei Cent pro Kilowattstunde auf 0,05 Cent pro Kilowattstunde. Eine CO2-Bepreisung hält er dagegen für ein geeignetes Mittel, den Klimawandel zu bekämpfen.
In Bezug auf Öffnungen fordert der BIHK eine Abkehr von den Corona-Inzidenzwerten als alleinige Richtschnur. „Immer mehr Infizierte sind junge Menschen, die belasten das Gesundheitssystem nicht so stark, weil sie oft milde oder asymptomatische Verläufe haben“, so Gößl. Deshalb möchte er mit Verweis auf Datenanalysten der Ludwig-Maximilians-Universität und den Virologen Christian Drosten Öffnungen an der Auslastung der Intensivbettkapazitäten festmachen, da nur diese ein sinnvoller Indikator sei. MATTHIAS SCHNEIDER