Berlin – In der Debatte um bezahlbaren Wohnraum und Verdrängung stehen auch die beiden größten deutschen Immobilienkonzerne, Vonovia und Deutsche Wohnen (DW), seit Jahren in der Kritik – nun haben beide Unternehmen ihren geplanten Zusammenschluss verkündet. Vonovia hat den Aktionären der Deutsche Wohnen ein Übernahmeangebot unterbreitet und will dafür 18 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Sollten mindestens die Hälfte der Anteilseigner das Angebot annehmen und die Kartellbehörden zustimmen, entstünde „Europas größter Wohnimmobilienkonzern“, wie beide Seiten mitteilten.
Mit der Übernahme fachen die Konzerne die Diskussionen rund um steigende Mieten und Wohnraum in Ballungsgebieten weiter an. Vonovia mit Sitz in Bochum besaß Ende 2020 knapp 415 000 Wohnungen, davon gut 354 000 in Deutschland. Die Deutsche Wohnen wiederum ist der größte Privatvermieter Berlins: Rund 114 000 der insgesamt mehr als 155 000 Deutsche-Wohnen-Immobilien stehen in der Hauptstadt.
Die Deutsche Wohnen stand nicht nur beim inzwischen gescheiterten Mietendeckel-Gesetz des Senats immer wieder im Fokus, sondern ist auch Hauptgegner der Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. Diese setzt sich dafür ein, Immobilien von Unternehmen in Berlin zu verstaatlichen, die am Stichtag 26. September mehr als 3000 Wohnungen haben. Die beiden Konzernchefs, Rolf Buch und Michael Zahn, waren am Dienstag daher vor allem darum bemüht, die Wogen zu glätten und Befürchtungen der Hauptstadtmieter zu zerstreuen.
In Berlin herrsche ein „Unzustand“, betonte Vonovia-Chef Buch im Beisein von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller sowie Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD). Dieser „Unzustand“ sei ein „Ausdruck, dass die Bürger dieser Stadt offensichtlich nicht zufrieden sind, auch nicht zufrieden mit unserem Unternehmen“. Es brauche einen „Neuanfang“ in der Zusammenarbeit mit der Politik aber auch mit Mieterschützern. Vonovia werde sich deshalb verpflichten, in den kommenden drei Jahren die jährlichen Mietsteigerungen auf höchstens ein Prozent im Jahr zu begrenzen. Beide Konzerne einigten sich mit dem Senat zudem auf den Verkauf von rund 20 000 Wohneinheiten noch in diesem Jahr an das Land. Berlin ist darum bemüht, Wohnraum zurückzukaufen, um den Mietmarkt besser regulieren zu können. Ähnliche Vereinbarungen würden auch in anderen Ballungsgebieten geschlossen, betonte Buch. Ohne den Segen der Städte und Kommunen könne kein Unternehmen erfolgreich sein.
Tatsächlich bleibt der Marktanteil der beiden Konzerne am deutschen Wohnungsmarkt selbst mit mehr als 500 000 Wohnungen gering: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt den Anteil des fusionierten Konzerns am gesamten deutschen Mietmarkt auf lediglich 2,4 Prozent. „Den beiden Immobiliengiganten dürfte es nicht um marktbeherrschende Stellung gehen“, vermutet Michael Voigtländer, Immobilienmarkt-Experte beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). „Ausschlaggebend für die Fusion dürfte vielmehr die Politik sein.“ Je mehr Unternehmen sich zusammenschlössen, umso robuster könnten sie auftreten gegen Mietpreisregulierungen und andere Markteingriffe des Staates. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) fürchtet auch um die Arbeitsbedingungen der Handwerker. „So ein XXL-Konzern wird sein Diktat von der Miethöhe bis zu den Vertragskonditionen für Mieter machen“, monierte IG-BAU-Chef Robert Feiger.
Vonovia hatte vor rund fünf Jahren schon einmal versucht, den Konkurrenten zu schlucken. Damals wehrte sich dieser gegen die „feindliche Übernahme“. Nun müssen die Aktionäre sich erneut entscheiden. Diesmal sind beide Vorstände für die Fusion.