„Teilweise fehlt es sogar an Kübeln für Farbe“

von Redaktion

INTERVIEW Chef der Handwerkskammer: Fixpreise für viele Betriebe ein Problem – Bauherren sollten umplanen

Herr Peteranderl, weshalb ist das Baumaterial so knapp?

Das hat viele Ursachen. Zum einen ist es eine große internationale Nachfrage, vor allem nach Schnittholz. Zum anderen hat es auch mit der Pandemie zu tun: Viele Fabriken haben den Lockdown für Wartungsarbeiten genutzt und die Nachfrage ist schneller wieder gestiegen als erwartet. Gerade Industrieanlagen können Sie ja nicht von heute auf morgen hochfahren.

Welche Gewerke sind von der Materialkrise betroffen?

Konkret sind vor allem Schnittholz, Dämmstoffe, (Ab-)Wasserrohre, Stahl und Stoffe auf Erdölbasis wie Epoxidharz Mangelware, teilweise fehlt es in den Fabriken sogar an Kunststoffkübeln, in die die Farbe abgefüllt wird. Das führt dazu, dass Baufirmen teils horrende Preise bezahlen müssen, um die Aufträge termingerecht erfüllen zu können. Trotzdem haben beispielsweise Dämmstoffe aktuell Lieferzeiten von bis zu 12 Wochen und selbst dann kann es sein, dass nicht die ganze Bestellung ankommt. Das führt teilweise dazu, dass ganze Baustellen stillstehen. Sie müssen sich das so vorstellen: Sie haben ein fertiges Holzhaus, aber es fehlen die Rohre. Ohne Rohre kann das Fundament nicht gegossen werden und ohne Fundament können Sie das Haus nicht aufstellen.

Wie wirkt sich das auf die Betriebe aus?

Zum einen ist es ein finanzielles Problem: Bei vielen Projekten wurden Fixpreise verhandelt. Wenn das Material teurer wird, leidet darunter die Marge des Betriebs. Und bei einem Holzhaus mit einem Fünftel Holzanteil muss der Preis nur um 20 bis 30 Prozent steigen und der Holzbauer macht ein Minusgeschäft. Zum anderen werfen Verzögerungen ja auch die Zeitpläne der anderen Gewerke durcheinander, am Bau löst jede Verzögerung eine Kettenreaktion aus. So kann es sein, dass ein Betrieb seine Mitarbeiter trotz voller Auftragsbücher in Kurzarbeit schicken muss.

Geben die Unternehmen denn die Kosten nicht an die Bauherren weiter?

Das ist in den meisten Fällen nicht möglich, weil die Preise ja oft fix sind. Für zukünftige Projekte kann man natürlich mit dem höheren Preis kalkulieren, aber dadurch ist man nicht mehr so marktfähig. Die einzige Möglichkeit ist eine Stoffpreisgleitklausel im Vertrag, bei der der Auftraggeber für eventuelle Preisschwankungen aufkommt.

Worauf sich die wenigsten Privatkunden einlassen dürften. Ist es denn gerade überhaupt sinnvoll, sein Eigenheim zu bauen?

Ja das geht, man muss es aber gut planen. Man kann sich mit dem Bauunternehmen absprechen, ob die geplanten Materialien drohen knapp zu werden. Dann kann man umplanen, für die meisten Stoffe gibt es mehrere Alternativen. Selbst wenn die ein bisschen teurer sind, macht man sich damit unabhängiger von Schwankungen und kann außerdem fristgerecht bauen. Wenn Sie jetzt beispielsweise ein Ziegelhaus ohne nennenswerte Außendämmung haben, haben Sie wahrscheinlich kaum Kostensteigerungen zu erwarten. Ich kann Ihnen versichern, die meisten Handwerker wollen das beste Preis-Leistungs-Verhältnis für ihre Kunden schaffen.

Wann wird sich die Lage wieder beruhigen?

Ich hoffe ab Herbst, wenn die Impfquoten höher sind und die Fabrikanlagen wieder auf voller Leistung laufen. Derzeit fahren zum Beispiel die Stahlwerke in Tschechien und Italien wieder hoch. Langfristig sollten wir mehr auf regionale Lieferketten setzen, um Stabilität zu schaffen. Ausfuhrsperren sollte es aber nicht geben, denn wir alle sind auf den globalen Güterverkehr angewiesen.

Interview: Matthias Schneider

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