Steuer bei Aktienverlusten: Anspruch sichern

von Redaktion

VON MARTIN PREM

München – Wirecard-Geschädigte können ein Lied davon singen: Sie haben mit ihrem Investment in das pleitegegangene ehemalige Dax- Unternehmen meist gewaltige Verluste eingefahren. Doch die Möglichkeiten, diese Verluste steuerlich geltend zu machen, sind beschränkt. Verfassungswidrig – so sieht es der Bundesfinanzhof (BFH), das höchste deutsche Gericht in Steuersachen. Es hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Normalerweise läuft es so: Verluste aus einer Einkommensart, könnten mit Gewinnen aus einer anderen verrechnet werden. Macht jemand, der regelmäßig Mieteinnahmen versteuert, wegen eines Mieterwechsels samt Renovierung einmal Verlust, kann er den von Gewinnen aus anderen Einkunftsarten abziehen.

Bei Einkünften aus Kapitalvermögen sieht es anders aus. Durch die Abgeltungsteuer mit dem festen Steuersatz von 25 Prozent ist das gar nicht möglich. Bei Aktiengeschäften ist die Verrechnung aber noch weiter eingeschränkt: Verluste können nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden.

Das fiktive Beispiel eines Wirecard-Aktionärs: Er hat beim Verkauf der Aktien 30 000 Euro Verlust gemacht und andererseits aus Dividenden und Zinsen 5000 Euro Gewinn eingestrichen. So bleibt ihm wirtschaftlich ein Verlust von 25 000 Euro. Versteuern muss er aber 5000 Euro Gewinn.

Nur wenn der Betroffene andere Aktien (die nach dem 31. Dezember 2008 angeschafft wurden) mit Gewinn verkauft, kann er die Verluste nach und nach geltend machen. Das ist aber anlagestrategisch Unsinn. Denn Aktieninvestments sollten langfristig angelegt sein – und keine kurzfristige Zockerei – wie sie jetzt vom Steuerrecht gefördert wird.

Es handelt sich auch, wie der BFH die Sache beurteilt, um eine „verfassungswidrige Ungleichbehandlung, weil sie Steuerpflichtige ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandelt“.

Was aber müssen Steuerzahler tun, um sich dagegen zu wehren? Sie müssen erst einmal in der entsprechenden Steuererklärung so tun, als gebe es die geltende Regelung nicht, rät Michael Reitsam, Professor für betriebliche Steuerlehre und Bilanzierung an der Hochschule München – also uneingeschränkt verrechnen.

Das wird das Finanzamt nicht akzeptieren. Deshalb sollte man, wie Reitsam empfiehlt, in einem zweiten Schritt gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen, dabei das Aktenzeichen (VIII R 11/18) angeben und gleichzeitig das Ruhen des Verfahrens beantragen.

Die Beschränkung der Verlustverrechnung ist im Fall Wirecard noch drastischer, falls die Aktie nicht verkauft, sondern später als wertlos aus den Depots ausgebucht wird. Denn die Verrechnung solcher Totalverluste wurde – wie auch die von Verlusten aus Termingeschäften – vom Bundesfinanzministerium gerade noch weiter eingeschränkt und vor allem in der Höhe auf Jahresraten von 20 000 Euro begrenzt. Auch das gilt als verfassungsrechtlich hochproblematisch.

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