Die Folgen der neuen EZB-Strategie

von Redaktion

VON HANNES KOCH

Frankfurt – Nach 18 Monaten Strategiedebatte hat die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, gestern den neuen Kurs der Notenbank bekannt gegeben. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was hat die EZB genau beschlossen?

Der EZB-Rat, das Führungsgremium der Zentralbank, hat das Inflationsziel leicht verändert. Während es bisher „unter, aber nahe zwei Prozent“ lag, beträgt es künftig genau zwei Prozent. Das neue Inflationsziel bedeute keine Verzögerung einer Straffung der Geldpolitik, versicherte die EZB-Präsidentin gestern in Frankfurt. „Wir sind dem Ziel von zwei Prozent verpflichtet“, sagte Lagarde. Jede dauerhafte signifikante Abweichung von dem Inflationsziel werde die Notenbank nicht tolerieren. Schon bei der nächsten regulären Ratssitzung am 22. Juli will die Notenbank die neue Strategie zugrunde legen.

Welche Auswirkungen hat das?

Die Zentralbank kann damit ihre bisherige, expansive Politik weiterbetreiben, durch die sie die Wirtschaft mit zusätzlichem Geld versorgt. „Die EZB gewinnt eine größere Flexibilität bei der Ausgestaltung ihrer Geldpolitik“, sagte Geraldine Dany-Knedlik vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. „Es fällt ihr leichter zu begründen, warum sie ihre Anleihekäufe fortsetzt und die Zinsen niedrig hält, auch wenn die Inflation eine Zeit lang deutlich über zwei Prozent liegt.“ Ohne die Änderung geriete die EZB sonst bald möglicherweise unter Druck, die Zinsen anzuheben und die Geldversorgung zu verringern. Das allerdings könnte die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise hemmen und auch Arbeitsplätze gefährden.

Welche Folgen hat das für Sparer?

In den kommenden Jahren mag die Schere zwischen Inflation und Zinsen größer werden. Die Preissteigerung zieht an, während die Zinsen unten bleiben. Sparerinnen und Sparer bezahlen höhere Preise für ihren Konsum, erhalten aber nach wie vor keinen Ausgleich in Gestalt von Guthabenzinsen auf dem Spar- oder Festgeldkonto. Die Renditen von Lebensversicherungen und ähnlichen Geldanlagen für die Altersvorsorge bleiben vorläufig ebenfalls niedrig. Der CSU-Europa-Politiker Markus Ferber kritisierte deshalb: „Eigentlich wäre es angemessen gewesen, das Inflationsziel abzusenken.“ Das hätte einen Schritt in Richtung höherer Zinsen bedeutet.

Wie können Kapital- anleger reagieren?

Wer Geld übrig hat und flexibel ist, kann Mittel etwa in Immobilien oder Aktien investieren. In diesen Bereichen sind die Preise und Renditen während der vergangenen Jahre teilweise stark gestiegen. Allerdings geht damit auch das Risiko von Verlusten einher.

Ändert die EZB ihre Inflationsberechnung?

Die Notenbank erklärte gestern, künftig die Kosten von Wohnungseigentum besser in die Berechnung der Inflation einzubeziehen. Bei steigenden Bau- und Immobilienpreisen könnte das dazu führen, dass der ermittelte Preisanstieg höher ausfällt – und damit ein zusätzliches Argument für eine weniger expansive Geldpolitik aufkommt.

Welche Rolle spielt der Klimaschutz für die EZB?

Das EZB-Führungsgremium beschloss „einen umfassenden Aktionsplan zur weiteren Einbeziehung von Klimaschutzüberlegungen in den geldpolitischen Handlungsrahmen“. Private Unternehmen, auch Banken, sollen dann mehr Bericht erstatten über die Klimaauswirkungen ihrer Geschäfte. Das könnte ein Kriterium unter anderem für spätere Anleihekäufe durch die EZB bilden. Die Notenbank will damit besser beurteilen können, wie wertvoll ihre eigenen Kapitalanlagen sind, und wie stabil, weil zukunftsfähig die europäische Wirtschaft ist.

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