Berlin – Die Pandemie reißt weiterhin tiefe Löcher in die Bilanz der Bahn. Rund zwei Milliarden Euro Verlust werden es nach Schätzung des Unternehmens heuer sein. In den ersten sechs Monaten summierte sich das Minus nach Zinsen und Steuern bereits auf 1,4 Milliarden Euro. Dennoch ist Bahnchef Richard Lutz optimistisch. Seit dem Frühjahr steigen im Fernverkehr die Fahrgastzahlen. „Wir sind gerüstet für mehr Reisende und Wachstum“, sagt er.
Die Auslastung im Fernverkehr liegt inzwischen wieder bei rund 40 Prozent. In normalen Zeiten sind es über 50 Prozent. Davon ist die Bahn also noch weit entfernt. Die Schuldenlast wächst. Mit 32 Milliarden Euro stand der Konzern zur Jahresmitte in der Kreide. Noch gibt es bei der Verschuldung aber Spielraum nach oben. Der vom Bundestag auferlegte Deckel liegt bei 35 Milliarden Euro.
Finanzvorstand Levin Holle beziffert die erwarteten Schäden durch die Pandemie auf rund zehn Milliarden Euro. Die Hälfte davon übernimmt der Bund, die andere Hälfte soll die Bahn durch Einsparungen beitragen.
Dazu gehören auch bescheidene Lohnzuwächse der Beschäftigten. Ein entsprechender Abschluss mit der größeren Bahngewerkschaft EVG ist gelungen. Dagegen stellt sich die kleinere Lokführergewerkschaft GDL quer. Sie bereitet einen Arbeitskampf vor. Am 9. August will die Gewerkschaft das Ergebnis der Urabstimmung bekannt geben. Kurz darauf könnten die Lokführer den Bahnverkehr lahmlegen.
Die Situation ist auch deshalb angespannt, weil die Bahn das Tarifeinheitsgesetz anwenden wird. Es sieht vor, dass in den rund 300 Bahnbetrieben immer nur der Tarifvertrag der größeren Gewerkschaft zur Anwendung kommt – fast überall die EVG. Die GDL befürchtet, dass die Arbeitgeber sie ganz aus dem Rennen drängen will. Ein Angebot für eine Kooperation mit den Gewerkschaften wies die GDL nun als Trick und Täuschung zurück. Es stehen in den Sommerferien schwere Turbulenzen ins Haus.
Auch die Flutkatastrophe erschwert die Rückkehr in die Gewinnzone. Brücken und Schienen sind beschädigt worden. Auf 1,3 Milliarden Euro bezifferte das Unternehmen grob den Schaden. Der Konzern bereitet sich nun mit einer „Klimaresilienzstrategie“ auf eine wachsende Zahl von Wetterextremen vor. „Nichts tun kostet auch Geld“, sagt Lutz. WOLFGANG MULKE