München – Helmut Rosenlöcher und Leopold Halser haben viel versucht. Deutschen Bau- und Zementkonzernen haben sie ihre Technologie angeboten, und sie haben Kontakt mit der Bundesregierung gesucht. Denn ihre kleine Bautechnologiefirma Multicon aus München hat die Lösung für ein globales Problem. Zumindest glauben das der 74-jährige Erfinder Rosenlöcher und Multicon-Geschäftsführer Halser.
Denn wenn es eines nicht wie Sand am Meer gibt, dann ist das Sand. Das gilt zumindest für die Sorte Sand, die zur Betonherstellung taugt. Der Bedarf ist mit global zunehmender Bauwut enorm.
„40 bis 50 Milliarden Tonnen Sand werden dafür weltweit jedes Jahr verbraucht“, sagt Rosenlöcher. Die Vereinten Nationen schätzen Ähnliches. Das macht Sand zum begehrten Diebesgut. Ganze Strände verschwinden per Klau in Ländern wie Indonesien, Tansania oder den Kapverdischen Inseln. Knapp ist Bausand auch deshalb, weil sich nur etwa fünf Prozent aller Sande weltweit zur Betonherstellung eignen, schätzt das Institut für angewandte Bauforschung in Weimar.
„Mit unserer Technologie werden mindestens 50 Prozent nutzbar“, verspricht Rosenlöcher. Eine Verzehnfachung der für Bauzwecke verfügbaren Sandmenge würde das Problem im weltweiten Maßstab beseitigen. Aber für die Problemlösung „Made in Germany“ hat sich in Deutschland offenbar niemand interessiert.
„Deutschland schweigt“, fasst Halser die letzten eineinhalb Jahre versuchter Kontaktaufnahme mit den zuständigen Bundesministerien und der heimischen Betonindustrie zusammen. „Das Bundesinnenministerium hat uns zum Entwicklungshilfeministerium geschickt, und das hat ins Ausland verwiesen“, sagt der Multicon-Chef.
Im Ausland ist die Firma und ihre vermeintlich revolutionäre Technologie nun tatsächlich auf offene Ohren gestoßen. Genau gesagt in Saudi-Arabien. „Wir bauen dort nun eine erste Pilotanlage für drei Millionen Tonnen Sand jährlich“, sagt Halser. Ab 2023 soll die produzieren. Zur Vertragsunterzeichnung reise man Mitte August ins Land, ergänzt Rosenlöcher und wirkt dabei nicht vollends glücklich. Ihm geht es um mehr als eine Pilotanlage. Gegründet wird dazu auch eine Holding, an der ein staatsnaher Konzern aus Saudi-Arabien 48 Prozent und Multicon 52 Prozent halten werden.
„Unsere Patente werden in die Holding eingelegt“, erklärt der 74-jährige Erfinder weiter. Denn von Saudi-Arabien soll nun mangels Interesse in Deutschland die Welt des Bauens mit Sand erobert werden. „Für Saudi-Arabien ist Sand das neue Erdöl“, sagt Halser. Wenn die Ölquellen irgendwann nicht mehr sprudeln, sitze das Land im Mittleren Osten immer noch auf riesigen Sandmengen, die mit der Multicon-Technologie auch zum Bauen nutzbar gemacht und mit saudischen Tankerflotten in alle Welt exportiert werden können.
Schon heute wird Bausand im großen Stil über die Weltmeere geschifft. Wer große Mengen Sand so aufbereiten kann, dass daraus Beton und Kies wird, hat deshalb ein strategisches Pfund, mit dem sich im global wuchern lässt, finden Rosenlöcher und Halser. „Es ist traurig, dass sich die maßgeblichen Stellen in Deutschland dafür nicht interessiert haben“, sagt der Erfinder aus Sachsen-Anhalt. Dabei gebe es auch in Deutschland, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, nicht-nutzbaren Sand, der sich mit der Multicon-Technologie zu Beton verarbeiten ließe. Dazu komme, dass die auch dazu tauge, bislang als Müll geltenden Feinstaub aus Bauresten zu verwerten. Allein in Deutschland gebe es jährlich 40 bis 50 Millionen Tonnen derartigen Bauabfalls.
Der durch das neue Verfahren entstandene Hochleistungsbeton besteche zudem durch große Festigkeit und niedrige Fertigungskosten, schwärmt der Erfinder. Aber die deutsche Betonindustrie sei derzeit ausgelastet und der Leidensdruck trotz des absehbaren Sandmangels noch nicht hoch genug, erklärt Halser das Desinteresse.
Multicon selbst will keinen Beton herstellen. Man sei dafür zu klein und verstehe sich als Lieferant für Bautechnologie, stellen die beiden Männer klar. Aus Wüstensand Beton machen könne aber weltweit bislang nur die neue und seit fünf Jahren patentierte Technologie „Made in Germany“. Bis in Saudi-Arabien alles läuft, will Rosenlöcher noch dabei bleiben.
„Aber ich bin 74 Jahre alt“, betont der Erfinder. Er und Halser hätten auch privat in das Verfahren und ihre Firma investiert. „Wir wollen uns zurückziehen“, sagt Halser perspektivisch. Nur eine Minderheit von ein paar Prozent an der saudischen Holding werde man wohl behalten. An wen die Anteile verkauft werden, sei offen. Interesse aus Deutschland gebe es aber bislang nicht.