München – Einen kleinen Schönheitsfehler gab es dann doch: Über die jüngste Entwicklung bei Siemens Energy sei er „nicht amused“, sagte Siemens-Chef Roland Busch gestern in München. „Wir waren nicht erfreut, was da passiert ist“, kommentierte er die mauen Quartalszahlen von Siemens Energy, die das Unternehmen bereits am Mittwoch veröffentlicht hatte. Energy kämpft mit Problemen beim Windanlagenbauer Gamesa (wir berichteten).
Eine „ärgerliche Entwicklung“, sagte Busch. Der Siemens-Chef ließ aber keinen Zweifel daran, dass die Abspaltung der Energiesparte vom Siemens-Konzern die richtige Entscheidung gewesen sei und Energy die Probleme mit Gamesa wieder in den Griff bekommen wird.
Nach dem Börsengang von Energy im vergangenen Jahr ist Siemens ohnehin nur indirekt davon betroffen. Zwar besitzt Siemens rund 35 Prozent der Energy-Aktien, das hat auf das Gesamtergebnis auf Konzernebene aber nur einen geringen Einfluss. Probleme bei Energy sind damit nichts weiter als ein kleines Randproblem.
Auf Konzernebene könnte es dagegen kaum besser laufen: „Im vergangenen Quartal hat sich die starke wirtschaftliche Erholung in allen Regionen fortgesetzt“, sagte Busch. China sei erneut ein entscheidender Wachstumsmotor gewesen – aber auch Europa und die Vereinigten Staaten. „Nicht zuletzt dank des großen Impffortschritts.“
Selbst Lieferengpässe – etwa bei Halbleitern – sieht Busch als ein beherrschbares Problem. Und weil immer mehr Unternehmen wegen gestörter Lieferketten ihre Lager ausbauen, spürt Siemens im Industrie-Geschäft sogar eine anziehende Nachfrage, wie Busch berichtete.
Der Siemens-Chef sprach gestern daher von einem „ausgezeichneten Ergebnis“ im dritten Quartal (das Geschäftsjahr bei Siemens orientiert sich nicht am Kalenderjahr, sondern hat bereits im Oktober 2020 begonnen). Der Gewinn hat sich zwischen April und Juni im Vergleich zum von Corona und Sondereffekten belasteten Vorjahresquartal auf knapp 1,5 Milliarden Euro verdreifacht, der Umsatz legte fast ein Viertel auf 16,1 Milliarden zu, und auch der Auftragseingang zog kräftig an (siehe Grafik).
Ein großer Posten bei den Auftragseingängen: Die US-amerikanische Eisenbahngesellschaft Amtrak hat Siemens einen Auftrag im Gesamtvolumen von 2,8 Milliarden Euro erteilt. Es geht um 73 Züge, die Siemens im kalifornischen Werk bauen will und die ab 2024 in acht US-Bundesstaaten zum Einsatz kommen sollen. „Amtrak will mit unserer Hilfe pro Jahr 1,5 Millionen Menschen mehr befördern“, sagte Busch. Es gebe die Option für weitere 140 Züge. „Ein großes Potenzial für weiteres Geschäft“, betonte Busch.
Und nicht nur mit dem Verkauf von Zügen soll die Mobilitätssparte des Konzerns in Zukunft wachsen: Busch hat rund eine halbe Milliarde Euro lockergemacht, um eine niederländische Software-Firma zu kaufen. Sqills heißt der Neuzugang – ein Spezialist für Buchungs- und Reservierungssysteme im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Siemens Mobility habe einen rechtsverbindlichen Vertrag zur Übernahme von Sqills unterzeichnet, teilten die Münchner gestern mit. Bislang nutzt etwa der französische Bahnbetreiber SNCF die Software von Sqills.
Bezogen auf den Kauf der Software-Schmiede sagte Busch: „Die Akquisition passt genau zu unseren strategischen Zielen und unseren Kriterien, wie wir planen, unser Kapital einzusetzen.“ Siemens expandiere „in dynamischen Märkten, die an unsere Kernmärkte angrenzen“. Etwas weniger kompliziert ausgedrückt heißt das: Busch schaut sich an, in welchen Märkten Siemens schon heute aktiv ist. Dann überlegt er sich, ob es rechts und links daneben angrenzende Märkte gibt, die deutlich höheres Wachstum versprechen. Ist das der Fall, schlägt Siemens zu und integriert aufstrebende Digitalunternehmen in den Konzern. Der Zukauf von Sqills ist damit ein weiterer Beleg dafür, dass Busch es ernst meint mit seiner Idee, Siemens zu einem Digitalkonzern umzubauen.
Bislang zahlt sich der Wandel aus: Zum dritten Mal in Folge erhöhte Busch gestern die Prognose. Aufs Gesamtjahr gerechnet will Siemens nun 6,1 bis 6,4 Milliarden Euro verdienen – bisher waren es 5,7 bis 6,2 Milliarden.