Wirtschaft wächst, aber auch das Defizit

von Redaktion

Wiesbaden – Trotz der Konjunkturerholung im Frühjahr steckt der deutsche Staat angesichts milliardenschwerer Ausgaben zur Bewältigung der Corona-Pandemie tief im Minus. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wies der Staatshaushalt das zweithöchste Defizit in einem ersten Halbjahr seit der Wiedervereinigung aus. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen gaben in den ersten sechs Monaten 2021 insgesamt 80,9 Milliarden Euro mehr aus, als sie einnahmen. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Minus bei 4,7 Prozent.

„Ein höheres Defizit gab es nur im ersten Halbjahr 1995, als die Treuhandschulden in den Staatshaushalt übernommen wurden“, erläuterte die Wiesbadener Behörde. Volkswirte gehen davon aus, dass das Defizit im kommenden Jahr schrumpfen dürfte. Läuft die Konjunktur rund, sprudeln die Steuereinnahmen – und der Staat muss Unternehmen nicht mit Milliarden stützen. Gegenüber dem zweiten Halbjahr 2020 verkleinerte sich das Minus. Damals lag das Defizit bei 5,6 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Im Frühjahr gewann die Wirtschaft nach dem Einbruch im Corona-Lockdown zu Jahresbeginn (minus 2,0 Prozent) wieder an Tempo. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im Zeitraum April bis Juni um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. In einer ersten Schätzung waren die Statistiker von einem Plus von 1,5 Prozent ausgegangen.

Vor allem die Konsumlust der Verbraucher (plus 3,2 Prozent) und staatliche Konsumausgaben (plus 1,8 Prozent) schoben Europas größte Volkswirtschaft im zweiten Quartal an. Die Einschränkungen zur Bekämpfung des Coronavirus mit Schließungen beispielsweise von Teilen des Einzelhandels, von Fitnessstudios oder Kinos waren ab Mai schrittweise gelockert worden. Die Menschen legten weniger auf die hohe Kante. Die Sparquote verringerte sich auf 16,3 Prozent.

Nach Einschätzung von Volkswirten wird die Konsumlust der Verbraucher die deutsche Konjunktur auch in den kommenden Monaten antreiben. Die Industrie leidet hingegen unter Materialmangel und Engpässen bei Vorprodukten wie Halbleitern. Das Verarbeitende Gewerbe dürfte erst ab dem Jahresende wieder signifikant zum Wachstum beitragen, sagte KfW-Chefvolkswirtin Friederike Köhler-Geib.

Nach Einschätzung der Bundesbank könnte sich das Defizit trotz des Wirtschaftswachstums vergrößern. Es dürfte über 5 Prozent des BIP hinausgehen (Vorjahr: 4,5 Prozent), schrieb die Notenbank in ihrem jüngsten Monatsbericht. „Ausschlaggebend für den Anstieg sind jedoch vor allem Maßnahmen, die nicht durch die Corona-Krise begründet sind – wie etwa die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags“, hieß es.

FRIEDERIKE MARX

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