Frankfurt – Es ist der größte Einschnitt seit 33 Jahren. Statt wie bislang 30 Werte wird der am 1. Juli 1988 aus der Taufe gehobene Deutsche Aktienindex Dax, das wichtigste deutsche Börsenbarometer, künftig 40 Werte enthalten. Morgen Abend verkündet die Deutsche Börse die neue Zusammensetzung, zum Handelsauftakt am 20. September wird die Veränderung wirksam. Die trifft auch den MDax für mittelgroße Unternehmen: Er schrumpft von 60 auf 50 Werte. Das ist zugleich auch ein Kritikpunkt, den das Deutsche Aktieninstitut anspricht. Zwar werde der Leitindex Dax mit der Erweiterung von 30 auf 40 Konzerne noch attraktiver, erklärte Institutschefin Christine Bortenlänger: „Mit den zehn Neuzugängen verstärken Unternehmen den Dax, die bereits im MDax erfolgreich waren und damit einen klaren Leistungsnachweis erbracht haben.“
Allerdings verliere der MDax als zweite Börsenliga stark an Gewicht, denn die Abgänge machten rund 45 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung des Index der mittelgroßen Werte aus. „Diese Lücke wieder zu schließen, ist nicht so einfach“, meint Bortenlänger.
Schon seit Monaten werden die neuen Dax-Mitglieder gehandelt. Entscheidendes Kriterium: Die Marktkapitalisierung, also der Börsenwert des jeweiligen Unternehmens. Geht es nach der letzten Aufstellung der Deutschen Börse von Anfang August, stehen die Kandidaten weitgehend fest: Airbus, Zalando, Siemens Healthineers, die Aroma-Firma Symrise, der Kochboxen-Lieferant Hellofresh, Porsche, der Chemikalien-Händler Brenntag und der Labor-Ausrüster Sartorius. Puma, Beiersdorf und die Pharma-Firma Qiagen rangeln um den letzten Platz. Diese Unternehmen kommen zum Teil auf einen höheren Börsenwert als aktuelle Dax-Mitglieder. Sie rücken aus dem MDax auf, der nicht nur um zehn Werte kleiner wird, sondern durch den Abgang von größeren Unternehmen an Gewicht verliert.
Es ist bei Weitem nicht nur der Umbau zum Dax40 und MDax50, der die Reform ausmacht. Es sind auch die Regeln, die die Börse im Zuge des Wirecard-Skandals ändern musste. Alle Kandidaten müssen mindestens die letzten beiden Jahre vor ihrem Dax-Aufstieg profitabel agiert haben. Skandale wie um Wirecard – durch den Anleger zum Teil ihre gesamten Ersparnisse verloren haben – sollen der Vergangenheit angehören. Dax-Konzerne müssen mindestens 45 Tage nach Ende des Geschäftsjahres und nach Ende des Quartals ihr Zahlenwerk vorlegen. Wenn nicht, fliegt die Aktie aus dem Dax.
Aufgrund der neuen Regeln hätte der Essens-Lieferdienst Delivery Hero im vergangenen Jahr nicht in den Dax rücken können: Das Unternehmen schreibt nach wie vor deutlich rote Zahlen, im ersten Halbjahr 2021 war es ein Verlust von satten 918 Millionen Euro. Einen Rauswurf anhaltend defizitärer Unternehmen sehen die neuen Regeln nicht vor, sie gelten nicht rückwirkend. Versäumt allerdings ein Unternehmen die rechtzeitige Vorlage von Berichten, hat das unmittelbar Konsequenzen. Im Mai kostete dies dem Leasing-Konzern Grenke zwischenzeitlich die Mitgliedschaft im Kleinwerte-Index SDax.
„Künftig profitieren Marktteilnehmer von einem einfachen und an internationalen Standards ausgerichteten Regelwerk sowie neuen qualitativen Kriterien“, sagt Börsen-Manager Stephan Flägel. Experten sehen durch die Reform Vorteile für den Dax. Er werde „spritziger“, glaubt Christian Kahler, Aktienstratege der DZ Bank. Zu etablierten Unternehmen gesellten sich wachstumsstarke. Airbus, Zalando, Siemens Heal-thineers oder Sartorius gelten als echte Bereicherung.
Der Dax werde mit der Aufstockung für ausländische Investoren attraktiver, sagt Silke Schlünsen, Index-Expertin der US-Investmentbank Stifels. Mit 40 statt 30 Werten würden auch die Risiken breiter gestreut, sagen andere. Dagegen verliere der bisherige MDax, der erfolgreicher war und ist als der „große Bruder“ Dax, durch den Wegfall der zehn Top-Performer an Bedeutung, heißt es bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.