Siemens gibt es bald dreimal im Dax

von Redaktion

VON BJÖRN HARTMANN

Frankfurt – Die Deutsche Börse hat den Deutschen Aktienindex (Dax) radikal reformiert. Künftig gehören ihm 40 Unternehmen an. Bisher waren es 30. Dafür schrumpft der MDax der mittelgroßen, börsennotierten Firmen von 60 auf 50 Mitglieder. Wesentliches Kriterium ist die Marktkapitalisierung, das ist der Wert, den die Menge der handelbaren Aktien eines Unternehmens an der Börse hat. Zum Stichtag listet die Deutsche Börse die notierten Unternehmen auf, die oberen 40 sind dann im Dax, die nächsten 50 im MDax. Berücksichtigt wird dabei der durchschnittliche Börsenwert der 20 Handelstage vor dem Stichtag – in diesem Fall fast der komplette August. Überprüft wird jeweils Anfang März und Anfang September.

Höchster Neueinsteiger ist Airbus. Der deutsch-französische Luft- und Raumfahrtkonzern mit Sitz im niederländischen Leiden und großen Standorten in Toulouse und Hamburg liegt hinter dem Gasehersteller Linde, dem Softwarekonzern SAP, Siemens und dem Versicherer Allianz auf Platz 5. Dass ein solches Schwergewicht bisher nicht im Dax vertreten war, verhinderte eine Regel, die jetzt ersatzlos gestrichen wurde: ein möglichst hoher Börsenumsatz. Airbus-Aktien wurden bisher vor allem an der Börse in Paris gehandelt und nur in geringer Menge in Frankfurt. Das ist künftig unwichtig.

Mit dem Onlinehändler und Technologieunternehmen Zalando, gegründet 2008, sowie dem Kochboxenversender Hellofresh, gegründet 2011, sind zwei vergleichsweise junge Unternehmen aus dem MDax aufgestiegen. Sie beweisen, dass es auch die beschworene und manchmal belächelte Start-up-Szene Berlins schafft, in die Spitze der deutschen börsennotierten Unternehmen vorzudringen.

Ebenfalls im neuen Dax vertreten sind der Duft- und Aromastoffhersteller Symrise, der Pharma- und Laborzulieferer Sartorius, die Porsche Holding, die die Mehrheit am VW-Konzern, ebenfalls im Dax, hält, der Chemikalienhändler Brenntag und eine weitere Abspaltung des Siemens-Konzerns: Siemens Healthineers. Im März hatte bereits Siemens Energy einen Platz im Dax bekommen. Dafür musste damals Beiersdorf weichen. Siemens ist damit dreimal im Auswahlindex vertreten.

Mit Puma ist der zweite deutsche Sportartikelhersteller neben Adidas im Dax angekommen. Damit ist der eher kleine fränkische Ort Herzogenaurach mit seinen rund 24 000 Einwohnern nicht nur zweimal im Dax vertreten, sondern auch zweimal mit einem Sportartikelhersteller. Denn Adidas sitzt ebenfalls in Herzogenaurach.

Weiterer Gewinner der Dax-Reform ist Berlin. Die Hauptstadt war bisher nur mit dem Bestellessenvermittler Delivery Hero und dem Wohnungskonzern Deutsche Wohnen sowie Siemens im Index vertreten. Jetzt kommen Zalando und Hellofresh hinzu. Das reicht für Rang 2. Nur München stellt mit Allianz, BMW, Münchener Rück, MTU Aero, Siemens und Siemens Energy mehr Unternehmen. Der Doppelsitz von Siemens zählt hier für beide Städte. Auf Rang 3 der wichtigsten Dax-Städte steigt Essen auf. Neben Brenntag, dem größten Chemikalienhändler der Welt, haben hier auch die Energiekonzerne Eon und RWE ihre Sitze.

Auslöser der Dax-Reform war der Fall Wirecard. Der Zahlungsabwickler konnte 2020 monatelang keinen Geschäftsbericht für 2019 vorlegen, meldete im Juni sogar Insolvenz an, weil offenbar große Teile des Geschäfts erfunden waren. Derartige Fälle waren im Regelwerk bisher nicht vorgesehen. Die Deutsche Börse nutzte diesen Fall, um das Regelwerk gleich grundlegend zu überarbeiten. Künftig müssen Dax-Unternehmen und ihre Anwärter alle Vierteljahre bis zu einem bestimmten Termin Geschäftsberichte vorliegen. Ist das nicht der Fall, werden die betreffenden Firmen aus dem Index ausgeschlossen. Und ein insolventes Unternehmen wird sogar binnen zwei Handelstagen ersetzt. Für Wirecard rückte 2020 Delivery Hero in den Dax auf. Kritik gab es, weil das Unternehmen seit seiner Gründung 2011 praktisch noch nie Gewinn geschrieben hatte. Künftig gilt, dass Firmen zwei Jahre lang operativ – vor Abschreibungen, Steuern und Zinsen – profitabel gewesen sein müssen, um in den Dax aufgenommen zu werden. Auch müssen mindestens zehn Prozent der Aktien frei handelbar sein, das Unternehmen zudem juristisch oder operativ in Deutschland sitzen. Die Regeln wurden bereits im November 2020 beschlossen.

Für viele Anleger, die mit Indexfonds Geld im Dax anlegen, wird sich kaum etwas ändern. Die Anbieter werden Anteile der neuen Dax-Mitglieder kaufen und Anteile anderer Dax-Mitglieder verkaufen, um den Index genau abzubilden. Auch Anbieter aktiv gemanagter Fonds auf den Dax werden Aktien der Aufsteiger kaufen müssen, was die Kurse treiben könnte. Andererseits wird bereits seit Monaten über die neue Dax-Zusammensetzung spekuliert. Die aktuelle zeichnete sich bereits Ende August ab, bis auf wenige Ausnahmen. Damals konnte zum Beispiel Beiersdorf noch hoffen: Der Nivea-Konzern stand auf Platz 40, Qiagen auf 41. Es kam dann anders.

Start-ups, Berlin und Essen sind die Gewinner

Für Fonds-Anleger ändert sich kaum etwas

Artikel 2 von 6