München – Der Bestand an Elektroautos in Deutschland steigt rasant. Nahezu einer von vier in den ersten sieben Monaten 2021 neu angemeldeten Wagen war elektrisch angetrieben. Das stellt die Assekuranz vor ein Kostenproblem, zeigen Analysen des zweitgrößten deutschen Kfz-Versicherers Allianz.
„Der durchschnittliche Schaden eines Elektroautos liegt um rund 30 Prozent höher als der von Wagen mit Verbrennungsmotor“, stellt Carsten Reinkemeyer klar. Der Leiter der Sicherheitsforschung im Allianz-Zentrum für Technik nennt Gründe: Zum einen würden Schäden an der bis zu 20 000 Euro teueren Batterie Kosten in die Höhe treiben, wenn diese betroffen ist. Manchmal seien auch die Autohersteller verantwortlich: Marder haben es auf das Kabel von Elektroautos abgesehen. Ein neuer Kabelsatz schlage aber mit bis zu 7000 Euro zu Buche, klärt Reinkemeyer auf. Mit einer Schutzummantelung ausgestattet könne ein angeknabbertes Kabel repariert werden, was die Kosten um bis zu 97 Prozent reduziere.
Kostentreibend seien auch Vorgaben: Nach dem Auslösen eines Airbags muss zwingend die Hochvoltbatterie entsorgt werden. Das führe bei einem Elektroauto wegen des hohen Wertanteils der Batterie bisweilen zu einem Totalschaden. Hersteller müssen standardisierte und kostenfreundlichere Reparaturmöglichkeiten schaffen, lautet ein Appell der Allianz.
Ungewöhnlich teuer kommt nach Erfahrungen des Versicherers auch die Entsorgung mit Totalschaden, vor allem, wenn er gebrannt hat und die Batterie in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Solche Unfallautos müssen für längere Zeit in Spezialcontainer verbracht werden.
Mit der Mär, Elektroautos geraten leichter in Brand als solche mit Verbrennungsmotor, räumt die Allianz auf. „Es gibt keine höhere Brandwahrscheinlichkeit“, versichert Reinkemeyer. Statistisch sei eher das Gegenteil der Fall. Zudem ist ihre Schadenhäufigkeit geringer. „Die Leute fahren damit bewusster“, vermutet zur Erklärung der Chef der Allianz Versicherungs-AG, Frank Sommerfeld. Unter dem Strich liegt die Schadenslast für die Allianz damit nur noch um rund ein Zehntel über der von Autos mit Verbrennungsmotor. Um die Elektromobilität nicht durch höhere Versicherungsbeiträge auszubremsen, rabattiert der Konzern aber Elektroautos mit bis zu 20 Prozent Abschlag auf die Prämie. Ähnlich verhalten sich Konkurrenten. Im Schnitt seien dadurch die Prämien für Elektroautos und solche mit Verbrennungsmotor zumindest bei der Allianz ähnlich, sagt Sommerfeld. Wie lange das so bleibt, ist eine andere Frage. Die Allianz sieht dabei zwei Entwicklungen kommen. „Wir rechnen damit, dass die durchschnittliche Schadenshöhe bei Elektroautos sinkt“, schätzt Technikexperte Christoph Lauterwasser. Zugleich werde aber wohl die Schadenhäufigkeit zunehmen, weil Elektroautos immer mehr und über längere Strecken hinweg gefahren würden. Klar ist damit auch, dass derzeit aus der Nische in den Massenmarkt fahrende Elektroautos den Kalkulationsspielraum von Kfz-Versicherern ausweiten, was es für Kfz-Halter schwieriger macht, den günstigsten Versicherer zu finden. Wie lange zum Beispiel der Neupreis einer teueren Hochvoltbatterie erstattet wird, steht im Kleingedruckten und ist von Versicherer zu Versicherer anders geregelt. Unterschiedlich ist im Markt auch die Höhe der Entschädigung bei Schäden an einer privaten Ladestation oder die Frage, ob die Police es abdeckt, wenn Dritte ein Ladekabel beim Laden auf offener Straße beschädigen.