MAN steigt auf elektrische Stadtbusse um

von Redaktion

VON MARTIN PREM

München – Die Bergkuppe ist erreicht. Das schwere Fahrzeug nimmt Fahrt auf. Tempo 20, Tempo 30. Nun ein sanfter Tritt aufs Bremspedal, und der Bus hält sein Tempo. Dafür sorgt nicht die Bremse, sondern der Antriebsstrang. Der Elektromotor des Busses verwandelt Schwung in Strom und lädt ihn in die riesige Batterie auf dem Dach.

Was sich hier auf der MAN-Teststrecke im Münchner Norden abspielt, wird in vielen Städten bald der Normalfall im öffentlichen Nahverkehr sein: Busse ohne Verbrennungsmotor. Die Hälfte der verbrauchten Energie kann im Stop-and-go-Verkehr mit vielen Ampeln und Haltestellen beim Bremsen zurückgewonnen werden. Auf unseren Testrunden mit wenigen Bremsmanövern war es immerhin ein Drittel.

„Bis 2025 fahren 50 Prozent der Stadtbusse elektrisch“ sagt Rudi Kuchta, der bei MAN den Bereich Bus leitet. „Mitten in einer Riesen-Transformation“ sei das Unternehmen, wozu neben der Elektrifizierung auch Vernetzung und zunehmend automatisiertes Fahren gehört. „Wenn wir uns jetzt nicht massiv ändern, werden wir in fünf oder sieben Jahren nicht mehr da sein“, sagt er.

550 Kilometer Reichweite hat der Lion’s City 12 E bereits bei einer Testfahrt nachgewiesen. Mehr als genug für tägliche Runden in der Stadt. Geladen wird im Depot mit bis zu 150 Kilowatt Leistung – wofür reichlich elektrische Energie bereitgestellt werden muss. Weil dies nachts geschieht, ist es eine Herausforderung für die Betreiber, mangels Solarstrom in der Nacht den CO2-Fußabdruck klein zu halten.

Zunächst geht es bei der Elektrifizierung der Busse um den innerstädtischen Verkehr. Doch auch Busse für den regionalen Linienverkehr und auch Reisebusse sind als vollelektrische Fahrzeuge möglich, wie Heinz Kiess sagt, der bei MAN für das Produktmarketing Bus verantwortlich ist.

Doch alles der Reihe nach: Trotz des Trends zu Elektrifizierung, bleiben Alternativen im Rennen. Eine norddeutsche Großstadt setzt auf eine mit Biogas betriebene Stadtbus-Flotte. Für Langstreckenreisen ist die Brennstoffzelle auch für MAN eine Variante. Und auch der Dieselmotor ist zumindest vorläufig noch gut dabei – mit 20 Litern Verbrauch auf 100 Kilometer. Aufgeteilt auf die Fahrzeuginsassen ist ein solcher Reisebus nach wie vor die sparsamste Form der Fortbewegung. Und der CO2-Fußabdruck pro Sitzplatz ist bei Weitem geringer als der eines – mit dem aktuellen Strommix geladenen – Elektro-Autos.

Noch ist der Diesel-Bus auch wirtschaftlicher. Doch das wird sich absehbar ändern. Wenn in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts mit Euro7 die nächste Verschärfung der Abgas-Vorschriften kommt, wird die Abgasreinigung, die heute so viel kostet wie der ganze Rest des Motors, in Nutzfahrzeugen, Lkw und Bussen kaum mehr bezahlbar sein. Kiess spricht von „Kostenparität“. Das bedeutet: Auf die Kilometer gefahrener Strecke heruntergerechnet, wird das in der Anschaffung teurere Nutzfahrzeug mit Diesel wegen günstigerer Betriebskosten seinen Vorteil verlieren.

Dann wäre der Diesel auf dem Abstellgleis. Erst einmal vom Markt stünden diese Motoren auch nicht mehr für andere Zwecke zu Verfügung. Etwa für Kraft-Wärme-Koppelung. Dabei sind Kleinkraftwerke mit Motoren dieser Leistungsklasse fürs Gelingen der Energiewende unverzichtbar, weil sie Ausfälle in der Stromversorgung durch Hochlauf binnen Sekunden ausgleichen könnten. Doch das ist nicht die Sorge der Nutzfahrzeugindustrie, die sich den neuen Technologien stellen wird. „Wir wollen auch in Zukunft Mobilität gestalten“, sagt Kuchta. Das heißt, die Elektromotoren werden sich quer durch den Bussektor durchsetzen. Nach den Stadtbussen zunächst in LE-Modellen, unter anderem für den regionalen Linienverkehr. LE steht für Low Entry, weil diese Busse einen barrierefreien Zugang wie in Stadtbussen mit teilweise hohen Sitzreihen wie in Reisebussen kombinieren.

Im Konzernverbund mit VW ist die Grundversorgung etwa mit Batteriezellen kein Problem. Auch bei den Kosten kann MAN trotz kleinerer Stückzahlen vom konzernweiten Einkauf profitieren. Die Konfigurationen von ganzen Stromspeichern am Busdach ist dann die Aufgabe des Herstellers selbst.

Auch batterieelektrische Reisebusse für die Fernstrecke sind möglich. Allerdings ist hier wie auch im Güterfernverkehr die Infrastruktur das Problem. Denn sowohl für Busse als auch für Lkw gelten Lenkzeiten und damit obligatorische Pausen, die sich ideal zum Nachladen eignen. Doch dafür müsste genug Strom an Parkplätzen zur Verfügung stehen. Um 100 Fahrzeuge gleichzeitig mit 150 Kilowatt zu laden, müsste eine große Menge an elektrischer Energie verfügbar sein, die der Stromerzeugung von drei leistungsstarken Windrädern entspricht – allerdings nur dann, wenn der Wind für diese Anlagen gerade optimal bläst, was eher selten der Fall sein dürfte. So könnte sich im Langstreckenverkehr der Verbrennungsmotor noch eine ganze Weile halten – mangels tragfähiger Alternativen. Zumindest für die Fahrer ist der Umstieg von Diesel- auf Elektroantrieb und zurück kein Problem. Die Bedienung ist dank Automatisierung des Getriebes nahezu identisch.

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