München – In der bayerischen Wirtschaft brodelt es: Viele Betriebe fühlen sich von der Politik angesichts massiv steigender Corona-Inzidenzzahlen alleingelassen. Bayerische Arbeitgeberverbände fordern, 3G-Regelungen in den Unternehmen gesetzlich zuzulassen. Dazu ist es notwendig, dass Mitarbeiter künftig gegenüber ihrem Arbeitgeber auskunftspflichtig sind, was ihren Impf- oder Genesenenstatus angeht. „Wir brauchen eine klare rechtliche Grundlage“, fordert Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), gegenüber unserer Zeitung. Entscheidend sei die Auskunftspflicht, die zeitlich befristet gelten soll, solange die Pandemie andauert. „Wir spüren einen wachsenden Unmut in den Unternehmen, denn ohne dieses Auskunftsrecht kann man betrieblich nicht verantwortungsvoll agieren“, so Brossardt.
„Ob dann 3G oder 2G am Arbeitsplatz Anwendung findet, müssen die Betriebe selbst entscheiden.“ Klar müsse aber sein, „dass bei einer 3G-Regelung die Mitarbeiter, die weder einen Impf- noch einen Genesungsnachweis haben, die dann nötigen Tests selbst bezahlen müssen“, so der Arbeitgebervertreter. Auch der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages, Manfred Gößl, fordert 3G in Betrieben – eine Regelung wie im Nachbarland Österreich. Mittlerweile komme es in den Betrieben immer öfter zu Konflikten, weil zum Beispiel Geimpfte nicht neben Ungeimpften arbeiten wollten.
Wir haben uns umgehört, wie es große Arbeitgeber in der Region aktuell mit dem Infektionsschutz am Arbeitsplatz halten.
Allianz
Momentan setzt die Allianz Deutschland AG auf Freiwilligkeit: „Wir bitten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig explizit, unsere Betriebsstätten nur geimpft, genesen oder negativ getestet zu betreten sowie nicht mit Erkältungssymptomen“, sagt deren Sprecher Mario Ghiai. Derzeit werde aber lokal an Standorten geprüft, welche Möglichkeiten und Konzepte es dort im Hinblick auf „2G in Mitarbeiterrestaurants“ gibt. „Damit ist es möglich, bei Bedarf auch einer steigenden Nachfrage zu entsprechen, wie wir sie an einzelnen Standorten derzeit feststellen“, so Ghiai. Eines der Mitarbeiterrestaurants habe hierzu zu Beginn dieser Woche eine erste entsprechende Regelung eingeführt, bei der ein „2G-Bereich“ extra ausgewiesen wird. Dort haben nur diejenigen Zugang, die geimpft oder genesen sind und dies auch nachweisen. Jedoch nehme die Allianz auch Rücksicht auf Mitarbeiter, die ihren Impf- oder Genesenenstatus nicht offenlegen wollen oder die sich mit der Einhaltung der bisherigen Regelungen und Schutzmaßnahmen beim Mittagessen wohler fühlen. „Für diese wird es weiterhin ausreichend Platz und Möglichkeiten für das Mittagessen geben.“
Wacker Chemie
Die Covid-19-Fallzahlen im Landkreis Altötting haben auch vor der Wacker Chemie AG nicht haltgemacht. Auch dort sind Corona-Fälle unter den Mitarbeitern bekannt geworden. „Das Infektionsgeschehen im Werk liegt im Rahmen der allgemeinen Fallzahlen des Landkreises“, sagt Unternehmenssprecher Christof Bachmair im Gespräch mit unserer Zeitung. Unter anderem aufgrund freiwilliger Selbsttests seien die Infektionen entdeckt worden. Doch aus Sicht von Wacker ist reine Freiwilligkeit nicht ausreichend: „Uns wäre daran gelegen, dass eine 3G-Regel für den Arbeitsplatz gesetzlich eingeführt wird. In der Gastronomie klappt 3G ja auch.“ Wacker geht auch konsequent bei Ungeimpften vor, die in Quarantäne müssen. „Sie erhalten keine Lohnfortzahlung, weil das Gesetz in diesen Fällen diese, beziehungsweise deren Rückzahlung durch die Behörde, nicht zulässt“, so Bachmair.
Siemens
Bei Siemens verlässt man sich bisher vor allem auf das Homeoffice, wie ein Unternehmenssprecher unserer Zeitung gestern sagte. International seien nur zwischenfünf und 15 Prozent der Mitarbeiter vor Ort. „Wenn alle Schutzmaßnahmen eingehalten werden können, ist künftig eine Belegung von bis zu 40 Prozent möglich“, so der Sprecher. Gemeint sind die gesetzlich vorgeschriebenen Abstände von 1,5 Metern am Arbeitsplatz und in den Gemeinschaftsräumen, sowie die Maskenpflicht auf den Gängen.
Stadt München
Die Landeshauptstadt lässt so viele Mitarbeiter wie möglich im Homeoffice arbeiten. Das hybride Arbeiten soll auch nach der Pandemie Standard bleiben. Vor Ort setzt die Landeshauptstadt auf Abstand und Schutzmasken. Darüber hinaus gelten die 3G-Regeln bei freiwilligen Betriebsveranstaltungen wie Weihnachtsfeiern und in einer Kantine, die der Öffentlichkeit zugänglich ist. In den zwei nicht-öffentlichen Kantinen gilt die 3G-Regel nicht, dafür die allgemeinen Schutzbestimmungen für die Gastronomie. Wenn ungeimpfte Tarifbeschäftigte als enge Kontaktperson oder als Reiserückkehrer in Quarantäne geschickt werden, bekommen sie seit dem 1. Juli keine Entschädigung mehr. Das gilt bisher jedoch nicht für Beamte.
Roche
Der Pharmakonzern beschäftigt an seinem Penzberger Standort etwa 7000 Mitarbeiter, von denen die Hälfte freiwillig im Homeoffice arbeitet, wie der Sprecher Johannes Ritter unserer Zeitung sagte. Für die Mitarbeiter in Präsenz gilt es, Kontakte möglichst zu vermeiden. Dazu zählen auch Besprechungen und Dienstreisen. In der Kantine sorgen Abstände, Plexiglasscheiben und verlängerte Öffnungszeiten für Sicherheit. Für externe Mitarbeiter und Besucher gelten die 3G-Regeln, die der Werksschutz kontrolliere. „Ebenso appellieren wir eindringlich an die Eigenverantwortung, sich ebenfalls an die 3G-Regelung zu halten“, sagte Johannes Ritter. Wenn ein ungeimpfter Mitarbeiter in Quarantäne muss, zahlt Roche den Lohn aus eigener Tasche weiter: „Zudem verzichtet Roche seit Beginn der Pandemie auch auf entsprechende Erstattungen durch die zuständigen Behörden. Dies werden wir auch bis auf Weiteres tun“, sagte Ritter.
Deutsche Post
Die Post setzt vor allem auf Alltagsmasken, Hygieneregeln, Abstand und Lüften, wie eine Sprecherin unserer Zeitung sagte. Zusätzlich gebe es für alle Mitarbeiter ein wöchentliches Testangebot.