Artgerechte Zellhaltung

von Redaktion

ibidi liefert Hightech-Petrischalen für die Medizin-Forschung

Gräfelfing – Es ist warm, kuschelige 37 Grad Celsius, um genau zu sein. Die Luftfeuchte beträgt 97, der CO2-Gehalt fünf Prozent. Die Zellen fühlen sich pudelwohl. Besonders gut gefällt ihnen der Boden ihrer Behausung: Angenehmes Polymer, extra auf Zellbedürfnisse zugeschnitten. Nicht so kalt und abweisend wie das Glas, auf dem sie sonst wohnen müssen.

„Zellen verhalten sich in normalen Petrischalen nicht wie in ihrer natürlichen Umgebung“, erklärt Valentin Kahl, Mitgründer und Co-Geschäftsführer der ibidi GmbH, „deshalb schaffen wir ihnen Bedingungen wie im menschlichen Körper.“ Denn das natürliche Verhalten der Zellen ist unersetzlich für die medizinische Forschung: „Wir wollen wissen, wie ein Krebsgeschwür Metastasen bildet oder weshalb Arterien verkalken“, erklärt Kahl.

Die Ausrüstung für diese Forschung liefert der Mittelständler aus Gräfelfing mit 80 Mitarbeitern: „Unser beliebtestes Produkt ist der Objektträger mit acht Kammern, davon verkaufen wir pro Woche etwa 20 000“, sagt der ibidi-Chef. Dazu gehören Temperaturregler, Gasmischer und Miniinkubatoren, die den Zellen perfekte Lebensbedingungen schaffen. Der eigentliche Star der Anlage ist aber der Kunststoff, aus dem der Objektträger besteht: „Durch unser Polymer bekommt man glasklare Mikroskopbilder, erklärt Kahl.

Die Forschung der Gräfelfinger schlägt sich in über 100 Patenten nieder, die Produkte werden in mehr als 40 Länder exportiert. Dazu gehören neben Hightech-Petrischalen für Medizinversuche auch Maschinen, die etwa den menschlichen Blutkreislauf simulieren. Mit ihren weltweit gefragten Produkten ging es für ibidi seit der Gründung 2001 immer nur bergauf – bis Corona kam.

„Wir haben die ersten Berichte sehr ernst genommen und hatten Angst, keine Rohstoffe mehr zu bekommen. Deshalb haben wir im Januar 2020 begonnen, unsere Lager mit Kunststoffgranulat und elektronischen Bauteilen zu füllen“, erzählt Kahl. Die Entscheidung hat sich als goldrichtig erwiesen. Gleichzeitig bauten die Unternehmer in den USA ein Lager für den wichtigen Übersee-Markt auf – als Puffer. „Die Wissenschaftler im Forschungsbetrieb sind es gewöhnt, dass bestellte Ware innerhalb eines Tages ankommt“, erklärt Valentin Kahl. Denn biologische Experimente könne man nicht anhalten, wenn überraschend das Material ausgeht. „Wir wollen unseren Kunden – also den Wissenschaftlern – die Sicherheit geben, dass wir immer zuverlässig liefern.“ Damit habe ibidi während der Krise auch Wettbewerber ausstechen können: „Wir hatten im April 80 Prozent Umsatzeinbruch, waren aber schon im September wieder auf dem Vorjahresniveau und haben ab da sechs Prozent Wachstum erwirtschaftet.“ Der Erfolg liegt für Kahl im engen Kundenkontakt, zehn Prozent der Belegschaft sind dafür zuständig: „Bei uns können die Leute immer anrufen und einen Diplom-Biologen erreichen.“ Um die Zukunft macht er sich keine Sorgen: „Wir haben in der Materialforschung zehn Jahre Vorsprung zur Konkurrenz.“ Ein wichtiges Zukunftsfeld ist die Immunonkologie: „Wir wollen helfen zu verstehen, wie das Immunsystem Krebszellen erkennen und vernichten kann.“ MATTHIAS SCHNEIDER

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