Frankfurt – Spitzentreffen der Bankenbranche am Freitag in Frankfurt: Der Streit um eine mögliche Straffung der Geldpolitik und denkbare Zinserhöhung geht in die nächste Runde. Auf der einen Seite: die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde. Auf der anderen Seite: Noch-Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sowie die Chefs von Deutscher Bank und Commerzbank.
Lagarde versicherte am Freitag zwar, dass man die derzeit hohe Inflation sehr ernst nehme. Sie betonte aber erneut, sie werde von vorübergehenden Schocks bestimmt. Mittelfristig werde der Preisdruck wieder abnehmen. Die Geldpolitik solle deshalb nicht vorzeitig gestrafft werden, die EZB müsse geduldig und beharrlich bleiben. 2022 sieht sie die Bedingungen für eine Zinserhöhung nicht gegeben. Mehr noch: Auch noch der Pandemie müsse die Erholung der Wirtschaft gestützt werden.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sagte, man dürfe das Risiko einer zu hohen Inflation nicht ignorieren. Der Ausblick sei außergewöhnlich unsicher. Die EZB solle sich deshalb nicht zu lange auf den derzeit sehr lockeren Kurs festlegen.
Deutliche Kritik kam von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing und Commerzbank-Chef Manfred Knof. Die Inflation werde länger auf höheren Raten verharren. „Wir unterschätzen die Inflation“, warnte Sewing. Die EZB sollte eher früher reagieren und die Geldpolitik straffen.
Lagarde lehnt dies aber ab. Die EZB nehme die Entwicklung der Inflation aber nicht auf die leichte Schulter. „Die Inflation ist unerwünscht und schmerzhaft“, sagte Lagarde auf dem Kongress. „Und es gibt natürlich Bedenken, wie lange sie andauern wird. Wir nehmen das sehr ernst und beobachten die Entwicklung genau.“ Es sei der EZB auch sehr bewusst, dass die hohe Inflation die Realeinkommen schmälere und dies besonders einkommensschwächere Menschen treffe. Aber die EZB-Präsidentin warnte auch vor den Folgen einer raschen Reaktion. „Angesichts vorübergehender oder angebotsbedingter Inflationsschocks dürfen wir nicht zu einer vorzeitigen Straffung der Geldpolitik übergehen.“
Unterstützung erhielt die Lagarde auf dem Kongress von Jean Lemierre, dem Chef der französischen Großbank BNP Paribas. „Die entscheidende Frage ist aktuell nicht Inflation, sondern Wachstum. Die Unternehmen wollen investieren und wachsen. Sie reden nicht von Inflation.“
Das sieht Deutsche-Bank-Chef Sewing anders. Er begrüßte zwar, dass die EZB das Inflationsthema sehr ernst nehme, äußerte aber zugleich Unmut über die starre Haltung der Notenbank. „Wir unterschätzen die Inflation. Sie bleibt länger und das mit höheren Raten.“ Die EZB solle daher schneller reagieren, als Lagarde angedeutet habe.
Auch Commerzbank-Chef Knof bezeichnete die Situation als schwierig, verwies auf einen möglichen neuen Lockdown und sich verstärkende protektionistische Tendenzen. Dies alles führe dazu, dass die Inflation bleibe.
Unterstützt wurde Knof am Freitag durch seinen Chef-Ökonomen Jörg Krämer. Er kritisierte die Notenbank in einem Interview scharf: „Die EZB und viele Ökonomen reden das Inflationsproblem klein.“ Die Inflation werde im nächsten Jahr nur vorübergehend sinken. Es werde deshalb Zeit, dass die EZB den Fuß vom Gas nehme. VON ROLF OBERTREIS