München – Der Chipmangel bremst nicht nur die Industrie aus, betroffen ist zunehmend der Mittelstand: Zu welchen Exzessen das führt, weiß Siegfried Förg aus eigener Erfahrung. Förg ist Gründer und Chef des Mechatronik-Dienstleisters GBN Systems aus Buch im Buchrain im Landkreis Erding. Ein Hightech-Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und den Bau von Medizintechnikgeräten, 3D-Druckern und Maschinen für die Halbleiterindustrie spezialisiert. 31 Mitarbeiter sorgen hier für rund drei Millionen Euro Umsatz im Jahr.
Herr Förg, wie stark ist Ihr Unternehmen vom weltweiten Chipmangel betroffen?
Sehr stark. Es fehlen ja nicht nur Chips, sondern eine ganze Reihe von elektronischen Bauteilen. Die Lieferzeiten sind von wenigen Tagen auf mehrere Monate, teilweise sogar auf über ein Jahr hochgeschnellt.
Und diese Bauteile benötigen Sie für sämtliche Geräte, die Sie verkaufen?
Es gibt heute kaum noch ein technisches Gerät, in dem nicht irgendeine Form von Elektronik drin ist. Das Handy, das Auto, der Mixer in der Küche, der Geschirrspüler. Das geht durch alle Lebensbereiche – bis hin zu unseren Hightech-Produkten.
Was kosten die Bauteile?
Das geht los bei wenigen Cent bis hin zu 100 Euro – das sind die Normalpreise. Wir hatten beispielsweise eine Komponente, die haben wir immer in der Größenordnung von 30 bis 50 Stück bezogen, der Stückpreis lag bei sechs Euro. Die sind jetzt auf einmal bei unserem Lieferanten nicht mehr verfügbar.
Und jetzt können Sie Ihre Medizintechnikgeräte und 3D-Drucker nicht mehr bauen?
Nein, das nicht. Wir kaufen jetzt bei speziellen Komponenten-Brokern. Das sind Händler, die sitzen irgendwo im Ausland. Diese Leute treiben irgendwo auf der Welt Restbestände aus irgendwelchen Lagern auf, kaufen sie – und verkloppen die Ware dann zu horrenden Preisen.
Was zahlen Sie dort?
Für ein Elektronikbauteil, das eigentlich sechs Euro kostet, sollten wir neulich über 300 Euro bezahlen. Das ist ein Preisanstieg von 500 Prozent.
Haben Sie den Wahnsinnspreis bezahlt?
Ja natürlich – uns blieb ja gar nichts anderes übrig. Wir haben das davor aber mit unserem Kunden abgestimmt.
Sind die Preise bei den Komponenten-Brokern immerhin verlässlich?
Schön wär’s. Wir reden hier nicht von Tagespreisen, sondern von Stundenpreise, die enorm schwanken. Das ist wie beim Spritpreis an der Tankstelle – nur noch einmal eine Nummer extremer.
Das heißt, ein Mecha- tronik-Spezialist wie Sie braucht inzwischen auch ein Händchen dafür, den richtigen Moment beim Teilekauf abzupassen?
So läuft das nicht. Wenn ein Komponenten-Broker sagt, er hat was, muss man schnell sein und zuschlagen. Wenn man drei Minuten zu lange wartet, sind die Teile weg. Der Preis spielt dann erst einmal keine Rolle, wir brauchen ja die Bauteile.
Oder Sie ändern das Produktdesign Ihrer Geräte und versuchen, weniger elektronische Komponenten zu verbauen.
Theoretisch ist das denkbar, aber das geht leider nicht von jetzt auf gleich. Und speziell in der Medizintechnik haben wir ja Zulassungen. Jede Änderung in den technischen Eigenschaften würde eine neue Zertifizierung erforderlich machen – das macht keiner wegen eines einzelnen Bauteils. Und uns mangelt es ja nicht nur an Mikrochips.
Was fehlt noch?
Der Preis für Aluminium ist seit dem Frühjahr von 3,80 Euro pro Kilo auf über zehn Euro geschossen. Jetzt droht auch noch das Magnesium knapp zu werden, das in vielen Aluminium-Legierungen steckt. Und dann geht es weiter mit Stahl, Buntmetallen, Messing, Kupfer – alles ist derzeit knapp.
Und am Ende geben Sie die höheren Enkaufspreise an Ihre Kunden weiter?
Wenn ein Kunde unsere Produkte möchte, muss er aktuell mehr bezahlen, so bitter das ist. Denn bevor ich selbst draufzahle, mache ich lieber kein Geschäft. Aber noch kommen wir gut durch, weil die Zahlungsbereitschaft der Kunden da ist.
Und wenn das irgendwann nicht mehr geht, droht Kurzarbeit?
Wir haben als Spezialmaschinenbauer zum Glück keine Fließbandproduktion. Daher können wir unsere Mitarbeiter recht flexibel einsetzen. Und noch stimmt der Auftragsbestand, Kurzarbeit ist daher derzeit nicht nötig.
Werden Sie künftig Ihre Lagerbestände erhöhen, um für ähnliche Krisen vorbereitet zu sein?
Das haben wir schon gemacht. Eigentlich war ich immer ein großer Just-in-Time-Verfechter, aber mittlerweile geht das nicht mehr. Wir haben jetzt 50 Prozent mehr Lagerbestand als noch zu Jahresbeginn. Das bindet zwar Kapital, ist derzeit aber unsere einzige Möglichkeit. Sobald wir mit einem Kunden einen Rahmenvertrag unterschrieben haben, füllen wir ratzfatz unser Lager mit allen nötigen Bauteilen auf.
Wird das in den nächsten Monaten so weitergehen?
Da wir inzwischen alle wissen, welche Verrücktheiten an den Weltmärkten möglich sind, traue ich mir im Moment keine Prognose zu. Klar ist nur, dass kurzfristig gesehen das Gezerre um die knappen Rohstoffe weitergeht.
Interview: Sebastian Hölzle