München/Berlin – Für viele Unternehmen bedeuteten die strengeren Corona-Regeln mehr Aufwand und höhere Kosten bei niedrigeren Einnahmen. Vor allem im Einzelhandel werde es zu weiteren herben Umsatzverlusten im Weihnachtsgeschäft bei weiter steigenden Kosten für die Kontrollen kommen, sagte der Präsident des bayerischen Industrie- und Handelskammertags, Klaus Josef Lutz. Das sei aber „allemal milder als vollständige Schließungen“. Um den betroffenen Branchen zu helfen – unter anderem auch Kulturveranstalter, Messebetreiber, Fitnessstudios und Betriebe für körpernahe Dienstleistungen wie Kosmetikstudios – müssten alle Corona-Kreditprogramme und Überbrückungshilfen nahtlos verlängert werden.
Die Betriebe in Bayern unternähmen bereits große Anstrengungen in der Pandemiebekämpfung, so Lutz. Er nannte Testpflichten und die 3G-Regelung am Arbeitsplatz. Ein wesentliches Problem sei derzeit, dass Antigen-Schnelltests nur noch schwer zu bekommen und wenn, dann teuer seien.
Die Spitzen von Bund und Ländern hatten weitreichende neue Corona-Maßnahmen beschlossen. So soll der Einzelhandel nur noch Geimpften oder Genesenen offenstehen – ausgenommen sind lediglich die Geschäfte des täglichen Bedarfs wie Supermärkte und Apotheken.
Beim Handelsverband Bayern (HBE) fürchtet man nun, dass die Geschäfte die Wut und den Frust von ungeimpften Kunden abbekommen. „Der arme Teufel, der die Zertifikate an der Tür kontrollieren muss, kann einem leid tun“, sagte HBE-Sprecher Bernd Ohlmann unserer Zeitung. „Der Handel ist doch nicht die Gesundheitspolizei.“
Besonders ärgert ihn auch, dass die Ungeimpften, die nun nicht mehr in die Innenstadtgeschäfte dürften, eben einfach im Internet bei Zalando & Co. bestellen würden. „Eine bessere Werbekampagne für Online-Händler könnte es gar nicht geben“, so der HBE-Sprecher.
Ohlmann rechnet im so wichtigen Weihnachtsgeschäft und auch danach – solange die 2G-Regelung gilt – mit Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent. Und das sei bereits der zweite Corona-Winter für die Geschäfte. Viele davon seien gerade in Bayern kleine und familiengeführte Betriebe, die gehofft hatten, mit einem guten Weihnachtsgeschäft die Verluste aus dem vergangenen Jahr wieder etwas auszugleichen, als von 16. Dezember bis in den März hinein geschlossen war. „Viele Geschäfte stehen bereits am Abgrund“, so Ohlmann. Deshalb müsse es für die Umsatzeinbußen eine Entschädigung geben. Schließlich müsse der Handel nun staatliche Defizite beim Impfen auffangen. Freilich sei alles besser, als wieder ganz schließen zu müssen.
Zwiespältig fällt das Urteil im bayerischen Handwerk aus. Einerseits verschaffe der Verzicht auf eine neuerliche Bundesnotbremse den Betrieben eine gewisse Planungssicherheit, sagte der Präsident des bayerischen Handwerkskammertages Franz Xaver Peteranderl. Allerdings bringe der Lockdown für Ungeimpfte auch Belastungen, vor allem in Handwerksbetrieben mit Ladengeschäft, die nun neue Kontrollpflichten im Hinblick auf den 2G-Status der Kundschaft hätten. „Die Versäumnisse bei der Impfkampagne werden so bei den Betrieben abgeladen“, sagte Peteranderl.
Mehrere Wirtschaftsverbände sprachen sich auch für eine allgemeine Impfpflicht aus. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft fordert zur Eindämmung der Corona-Pandemie sogar eine 2G-Regel in Betrieben. „Das ist leichter zu kontrollieren und kostengünstiger als die 3G-Regel“, sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger. „Es würde bedeuten, dass nur wer geimpft oder genesen ist, seinen Arbeitsplatz betreten darf.“