Wenn der Chef ein kleiner Donald Trump ist

von Redaktion

INTERVIEW: Die Psychologin Bärbel Wardetzki zum Umgang mit Narzissten im Berufsumfeld

München – Wer Parallelen zwischen Donald Trump und seinem Chef sieht, der hat es mitunter nicht leicht. Die Psychologin und Therapeutin Bärbel Wardetzki aus München ist Expertin zum Thema Narzissmus. Wir haben mit ihr über Blender im Job gesprochen und darüber, warum Narzissten auch eine gute Seite haben können.

Frau Wardetzki, viele Menschen leiden unter schwierigen Chefs und Kollegen. Was hat das mit Narzissmus zu tun?

Wenn jemand narzisstische Strukturen hat, kann das schwierig im Umgang sein. Schwieriger als jemand, der ein gutes Selbstwertgefühl hat, der um seine eigenen Stärken und Schwächen weiß und der sich mit anderen im Dialog auseinandersetzen kann. Denn genau das hat der Narzisst nicht und umso schwerer wird die Zusammenarbeit. Denn narzisstische Menschen habe im Grunde ein geschädigtes Selbstwertgefühl, das sie schützen müssen.

Wie äußert sich das bei Narzissten?

Das sind Menschen, die ein instabiles Selbstwertgefühl haben und sich eigentlich nicht für liebenswert halten. Sie kompensieren das, indem sie sich größer machen, als sie sind. Sie zeigen anderen ihre Überlegenheit und werten diese ab. Auf Kritik re-agieren sie meist abwehrend und sie tendieren dazu, Monologe zu halten. Es wird dann sehr schwer, einen Konflikt aus der Welt zu schaffen, indem man miteinander spricht. Narzissten können ganze Teams sprengen.

Viele Menschen fragen sich, wie so jemand überhaupt Chef werden konnte.

An und für sich ist das Narzisstische gar nicht schlecht. Wir alle haben einen narzisstischen Anteil. Wenn wir alle keine Fantasien hätten, besser zu werden, als wir sind, dann würden wir uns vermutlich nicht weiterentwickeln. In Führungspositionen finden wir oft Menschen mit einem hohen narzisstischen Anteil. Das hat aber auch etwas Gutes: Solche Menschen sind oft kreativ, spritzig und klug und entwickeln Ideen. Im Idealfall können sie auch gute Beziehungen zu Mitarbeitern aufbauen. Sie können aber auch Blender und schwierig sein.

Was mache ich, wenn mein Chef ein schwieriger Narzisst ist?

Wir sollten zunächst aufpassen, dass wir Menschen nicht in Schubladen stecken. Es lohnt sich eher hinzuschauen, was das Problem ist mit diesem Menschen. Wenn das jemand ist, der sich selbst viel lobt, andere entwertet und sich selbst immer in den Vordergrund stellt, dann könnte es schon Narzissmus sein. Entscheidend ist aber, wie ich damit umgehe.

Und zwar?

Wenn ich merke, dass ich bei diesem Menschen keinen Fuß auf den Boden bekomme, dann ist die Frage, wie ich mich sicht- und hörbar machen kann. Ich kann schauen, dass ich mich vom Lob unabhängiger mache. Von so einem Chef kann ich keines erwarten. Ich kann dann schauen, dass ich die Bestätigung für meine Arbeit an anderer Stelle bekomme, zum Beispiel indem ich mich mit meinen Kollegen solidarisiere.

Und mit dem Chef selbst?

Es geht darum, den Chef nicht zu entwerten. Denn genau so jemand braucht viel Bestätigung. Es ist hilfreicher, so jemanden ins Boot zu bekommen. Zum Beispiel indem man ihn für das lobt, was man gut findet. Ihm eine Chance gibt und nicht das Gefühl, dass ich von oben herab auf ihn reagiere.

Sie sagen, Narzissmus kommt von einem niedrigen Selbstwert. Wie kommt es dazu?

Tatsächlich weiß man, dass vieles angeboren ist und an den Genen liegt. Narzissten haben einen geringer ausgeprägten Bereich im Gehirn, der für Mitgefühl zuständig ist. Das heißt aber nicht, dass die Familie und die Erziehung keine Rolle spielen. Hier gibt es ganz unterschiedliche Schädigungen, etwa wenn Kinder erhöht oder abgewertet werden: ‚Du kriegst mal den Nobelpreis‘ oder ‚Du bist zu dumm, einen Hammer zu halten‘. Fatal ist auch, wenn Kinder beides erleben, also die Kombination von extremer Auf- und Abwertung. Wobei nicht jede Selbstwertschädigung zwangsläufig zu Narzissmus führen muss.

Bei Narzissten denkt man erst mal an Männer. Wie sieht das bei Frauen aus?

Es gibt auch ein paar Frauen, die sich für grandios halten und das Gefühl der Minderwertigkeit sehr stark abspalten und sich gar nicht mehr als minderwertig erleben. Typisch ist aber eher ein anderes Verhalten. Viele narzisstische Frauen fühlen sich extrem minderwertig und versuchen das auszugleichen. Zum Beispiel über Schönheit, Leistung und extreme Anpassungsfähigkeit – eine Fassade, um den geringen Selbstwert zu verdecken. Das ist der typische weibliche Narzissmus. Es gibt aber auch Männer, die eher so strukturiert sind.

Nicht nur im Job, sondern auch in der Politik scheint es viele Narzissten zu geben. Warum sind sie dort so erfolgreich?

Menschen suchen nach einfachen Antworten, weil die heutige Zeit so kompliziert ist. Da kann es sehr entlastend sein, wenn narzisstische Menschen eine Entlastung versprechen und einfache Botschaften haben, die Welt in Schwarz und Weiß unterteilen. Wie Donald Trump. Das ist für viele Menschen wohltuend. Aber die Gefahr ist eben, dass solche Menschen oft Blender sind. Wobei auch Angela Merkel narzisstische Züge hat.

Tatsächlich?

Ja. Sie ist zwar uneitel, hat aber ein großes Machtstreben. Wobei sie ihre narzisstischen Anteile auf eine sehr positive Art genutzt hat. Zum Beispiel war sie außenpolitisch weltweit sehr geschätzt und integrierend. Aber sie hat für keine Nachfolge gesorgt und ihre Partei eher als „Alleinherrscherin“ geführt.

Interview: Heidi Geyer

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