München – Im Wirecard-Skandal können frustrierte Anleger nach ihren großen Kursverlusten nun doch auf Schadenersatzklagen gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hoffen. Diese hatte die falschen Bilanzen des ehemaligen Dax-Konzerns testiert. Das Münchner Oberlandesgericht machte am Donnerstag in einem vorläufigen Hinweis gravierende Zweifel an den Entscheidungen der ersten Instanz publik. Dabei hatte das Münchner Landgericht Klagen gegen EY ohne weitere Beweisaufnahme abgewiesen. Laut OLG hätte es sehr viel genauer prüfen müssen, ob EY vorsätzlich sittenwidrig handelte.
Der vorläufige Hinweis bedeutet nicht, dass das OLG die Wirtschaftsprüfer von EY in jedem Fall für mitverantwortlich hält, oder dass ein Erfolg der Klagen garantiert wäre. Allerdings machte der 8. Zivilsenat des OLG sehr deutlich, dass das Landgericht sich viel zu oberflächlich mit dem Fall befasst habe.
Besonders rüffelt er, dass es dem Landgericht wohl an „eigener Sachkunde“ fehle, um die in einem Gutachten der Prüfungsgesellschaft KPMG erhobenen Vorwürfe gegen EY zu beurteilen. Dafür wäre ein Sachverständigen-Gutachten angebracht gewesen. Zudem hält das OLG dem Landgericht vor, den Bericht des Wirecard-Untersuchungsausschusses ignoriert zu haben, zum Nachteil klagender Anleger. Das OLG empfahl dem Landgericht, ein Musterverfahren zu eröffnen. Eine Option ist aber auch, das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen.
Für die Aktionäre bedeutete die Wirecard-Pleite enorme Verluste in zweistelliger Milliardenhöhe. Beim Landgericht sind hunderte Klagen gegen EY eingegangen, die bislang abgewiesen wurden.