Frankfurt – Keine Bank, kein Verband der Kreditwirtschaft, kein Vermögensverwalter, keine Fondsgesellschaft will ihn auslassen: Den Kapitalmarktausblick aufs kommende Jahr. Dabei liegen Experten oft daneben. Wie für das zu Ende gehende Jahr. 14 000 bis maximal 14 500 Zähler hatten sie dem Deutschen Aktienindex Dax zum Jahresende zugetraut. Am Ende lag der Leitindex aber bei 15 884 Zählern und damit fast 16 Prozent im Plus.
Für das neue Jahr lehnen sich die Experten weit aus dem Fenster: Bis zu 18 000 Zähler soll der Dax in einem Jahr erreichen, sagen die größten Optimisten. Einen Einbruch sieht allem Anschein nach niemand.
Was also bringt das neue Jahr für Aktien? Wieder Gutes, ist die Finanzbranche überzeugt. Aber allenthalben raten Experten zunächst zur Vorsicht. Das Impftempo legt zwar zu, aber die Omikron-Variante sorgt für erhebliche Verunsicherung. Sie sei ein schwer kalkulierbares Risiko, sagt nicht nur Friederike Köhler-Geib, Chef-Volkswirtin der Förderbank KfW. Gibt es doch neue Lockdowns? Werden Unternehmen gebremst? Das Virus beschäftigt den Aktienmarkt, auch wenn es im vergangenen Jahr sehr oft ignoriert wurde. Dazu kommen die Probleme in den Lieferketten. Lösen sie sich wirklich im Laufe des Jahres, wie Volkswirte glauben? Was machen die Rohstoff- und Energiepreise, was überhaupt die Inflation? Geht sie im nächsten Jahr wirklich wieder zurück? Wie wird sich die Wirtschaft in China entwickeln, nach den USA die weltgrößte Volkswirtschaft. Kommt es zu neuen Handelskonflikten? Das sind Fragen, die sich Börsenstrategen stellen. Und generell eher positiv beantworten. Die Lage werde sich entspannen. Das Wachstum hierzulande soll sich wieder bei rund vier Prozent einpendeln.
Zwei Dinge aber stehen offensichtlich fest. Die Geldpolitik bleibt großzügig und damit die Zinsen niedrig. Die US-Notenbank Fed wird im nächsten Jahr zwar drei Mal die Zinsen anheben. Aber die Europäische Zentralbank (EZB) hat das noch nicht im Blick, fährt nur ihre Anleihekäufe dosiert zurück. Das spricht für Aktien und gegen Sparanlagen und Anleihen.
Und dann werden die 40 Dax-Unternehmen so hohe Dividenden ausschütten wie nie zuvor. „Wir rechnen mit 46,5 Milliarden Euro“, sagt Joachim Schallmayer von der DekaBank. Das wäre rund ein Viertel mehr als 2021. Dazu kommen nach Überzeugung von Ulrich Stephan von der Deutschen Bank weiter steigende Unternehmensgewinne. Die Auftragsbücher seien prall gefüllt, auch der Konsum ziehe wieder an. Die Menschen geben das in der Pandemie gesparte Geld aus.
Ganz weit aus dem Fenster hängt sich DZ Bank-Chef-Stratege Christian Kahler. Er sieht den Dax in einem Jahr mit 16 Prozent im Plus bei dann stolzen 18 000 Punkten. „Die weiterhin niedrigen Zinsen und die aufgestauten Produktionsaufträge treiben die großen Aktienindizes zu neuen Rekorden“. DekaBank-Experte Schallmayer ist ebenfalls zuversichtlich: 17 500 Dax-Punkte Ende 2022. Diese Prognose wagt auch Jürgen Michels, Chef-Volkswirt der BayernLB. Etwas vorsichtiger ist Commerzbank-Chef-Ökonom Jörg Krämer. Er sagt 17 200 Zähler voraus. Moritz Krämer von der Landesbank Baden-Württemberg begnügt sich mit 16 500 Punkten. Einen wirklichen Einbruch beim Dax hat offensichtlich keine Bank auf dem Schirm.