Keine Entwarnung an der Preisfront

von Redaktion

VON FRIEDERIKE MARK UND JÖRN BENDER

Wiesbaden – Die Inflation ist 2021 auf den höchsten Stand seit fast 30 Jahren geklettert und eine rasche Entspannung ist vorerst nicht in Sicht. Rasant gestiegene Energiepreise, Lieferengpässe sowie die Rücknahme der zeitweisen Mehrwertsteuersenkung trieben die Jahresteuerung nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes auf 3,1 Prozent. Einen stärkeren Anstieg der Verbraucherpreise hatte die Behörde im Jahresschnitt zuletzt 1993 mit damals 4,5 Prozent gemessen.

Die Sorge der Menschen wächst, dass sich das Leben noch stärker verteuern wird. Im Dezember stiegen die Verbraucherpreise um 5,3 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das Bundesamt ebenfalls mitteilte. Eine höhere Teuerungsrate war zuletzt im Juni 1992 mit damals 5,8 Prozent gemessen worden. Analysten hatten einen leichten Rückgang erwartet, nachdem die Rate im November auf 5,2 Prozent gesprungen war.

Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft. Besonders hart trifft es Ökonomen zufolge ärmere Haushalte. Denn sie müssen einen großen Teil ihres Einkommens für lebensnotwendige Güter wie Wohnen oder Lebensmittel aufwenden. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, Verena Bentele, sprach von einem „Desaster für alle Menschen mit niedrigem Einkommen und Bezieher von Grundsicherung. Die wachsende Unsicherheit, wie sie das alltägliche Leben künftig finanzieren sollen, ist eine starke Belastung“.

Auch für Sparer sind steigende Teuerungsraten bitter. Nach Berechnungen der Commerzbank-Tochter Comdirect gemeinsam mit Barkow Consulting sank der Realzins – also der Zins für Spareinlagen nach Abzug der Teuerungsrate – im vierten Quartal 2021 weiter auf das Rekordtief von minus 4,93 Prozent. Demnach verloren Sparer in Deutschland im vergangenen Jahr in Summe 80 Milliarden Euro wegen niedrig verzinster Einlagen.

Die Sorge der Menschen in Deutschland wächst einer Umfrage zufolge, dass sich das Leben in Deutschland noch stärker verteuern wird. 54 Prozent der Befragten rechnen mit weiter steigenden Verbraucherpreisen, wie RTL/ntv anhand aktueller Forsa-Daten berichteten. Vor zwei Wochen hatten sich nur 45 Prozent entsprechend geäußert.

Auch Ökonomen wie Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sind überzeugt: „Die Inflationsrisiken weisen klar nach oben – nicht nur in Deutschland, sondern auch im Euroraum“, auch wenn die Inflationsrate nach der Jahreswende wegen des Wegfalls von Sonderfaktoren sinken sollte. „Es wird Zeit, dass die EZB den Fuß vom Gas nimmt“, mahnte Krämer. Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, stößt ins selbe Horn: „Eine geldpolitische Wende wird angesichts dieser Zahlen dringlicher.“ Kritiker werfen der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, mit ihrer Flut billigen Geldes die Teuerung noch anzuheizen, die sie eigentlich im Zaum halten will.

Angeheizt wurde die Teuerung in Europas größter Volkswirtschaft im vergangenen Jahr vor allem von rasant gestiegenen Energiepreisen. Im Dezember 2021 verteuerten sich Haushaltsenergie und Sprit zum Vorjahresmonat den vorläufigen Daten zufolge um 18,3 Prozent, im November waren es sogar 22,1 Prozent. Zugleich schlug die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung durch. Hinzu kamen Materialmangel und Lieferengpässe sowie die Einführung der CO2-Abgabe Anfang 2021 von 25 Euro je Tonne Kohlendioxid, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Seit Beginn des laufenden Jahres werden 30 Euro je Tonne fällig.

Viele Ökonomen rechnen auch im laufenden Jahr mit einer Drei vor dem Komma bei der Jahresinflationsrate. Wirtschaftsforschungsinstitute wie das Ifo-Institut verweisen auf anhaltende Lieferengpässe und die zuletzt stark gestiegenen Erdgaspreise.

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