München – Viel ist auf dem gräulichen Papierstück nicht zu erkennen. Nur mit Mühe lassen sich chinesische Schriftzeichen und mehrere Münzstapel erahnen. Aber es ist: Der älteste bekannte Geldschein der Welt. „Er stammt aus der chinesischen Ming-Dynastie im 14. Jahrhundert“, erklärt Katharina Depner.
Depner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Münchner Technologiekonzern Giesecke + Devrient (G+D). Genau genommen arbeitet sie für eine Stiftung des Unternehmens, die Mitte November ins Leben gerufene Giesecke + Devrient Stiftung Geldscheinsammlung. „Unsere Geldscheinsammlung ist wohl die weltweit größte und bedeutendste Sammlung auf dem Gebiet des Papiergeldes“, sagt Stiftungsvorstand Celia von Mitschke-Collande.
Den Grundstein dafür legte ein Kölner Privatsammler namens Albert Pick, der seine Sammlung 1964 der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank in München übergab. 2003 ging die Sammlung an die HVB Stiftung Geldscheinsammlung der UniCredit über. Zwar befinden sich die historischen Banknoten bereits seit 2008 in den Räumlichkeiten von Giesecke + Devrient in der Münchner Prinzregentenstraße, aber erst seit November gehört die Sammlung über die neue Stiftung offiziell zu Giesecke + Devrient. Zum Wert macht die Stiftung keine Angaben – das sei ohnehin kaum möglich zu schätzen. Immerhin besteht die Sammlung aus über 300 000 Geldscheinen.
Bedeutend ist die Sammlung nicht nur wegen ihres Umfangs. Die Banknoten erzählen auch viel über die Geschichte des Papiergeldes, wie das Beispiel aus der chinesischen Ming-Dynastie zeigt: Statt mit hunderten Münzen, ließen sich Waren von hohem Wert auf einmal mit handlichem Papier bezahlen.
Problem: „Schon damals musste Papiergeld fälschungssicher hergestellt werden“, sagt Depner. Entsprechend habe die Bank den Geldschein, der formal an eine Urkunde erinnert, künstlerisch so verzieren lassen, dass eine Nachahmung nur schwer möglich gewesen sei. Deutlich wirkungsvoller dürfte aber ein anderes Sicherheitsmerkmal gewesen sein: „Übersetzt man die Schriftzeichen auf dem Geldschein, steht da sinngemäß: ,Wer das Geld fälscht, wird geköpft.’“
Trotz der drakonischen Strafandrohung scheiterte das Papiergeldprojekt: Geldscheine waren damals als Zahlungsmittel noch nicht überall gültig und mussten in Münzen umgetauscht werden. Auf dem Geldschein versprach der Staat zwar, dass Münzgeld in der aufgedruckten Höhe im Tresor hinterlegt ist. „Am Anfang mag das auch so gewesen sein, am Ende war aber mehr Papiergeld im Umlauf als Münzen beim Staat hinterlegt waren“, sagt Depner. In der Folge sei es zur Inflation gekommen. „Und als die Besitzer ihre Geldscheine bei einer staatlichen Stelle gegen Münzen eintauschen wollten, bekamen sie nicht den vollen Gegenwert.“
Im Kampf gegen Geldfälscher waren die Schweden aber bereits einen Schritt weiter. „Auf der Banknote findet sich eines der ersten Wasserzeichen“, sagt Depner – ein Sicherheitsmerkmal, das bis heute auf Geldscheinen zu finden ist.
Bis staatlich organisierte Zentralbanken Papiergeld ausgaben, dauerte es noch. Selbst die ersten bekannten Papiergeldausgaben auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands stammten häufig von Privatbanken. Wegen der zunehmenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert stieg der Kapitalbedarf rasant an – im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach gab die Weimarische Bank 1854 daher erstmals Papiergeld aus, das heutigen Banknoten bereits sehr ähnlich sieht. Und neue Sicherheitsmerkmale versprachen noch mehr Schutz vor Fälschungen. „Was man auf den Banknoten aus Weimar sieht, ist höchste Druckkunst“, sagt Depner. Beauftragt mit dem Druck wurde das Typografische Kunst-Institut Giesecke und Devrient in Leipzig – das Vorgängerunternehmen des heutigen Konzerns. „Aufgedruckt wurden damals bekannte Allegorien, und zwar so fein und kleinteilig, dass Fälscher größte Mühe gehabt haben dürften, Kopien zu erstellen“, sagt Depner.
Später, als Giesecke + Devrient nicht mehr für private Notenbanken, sondern für staatlich organisierte Zentralbanken Geld druckte, tüftelte das Unternehmen an neuen Sicherheitsmerkmalen. Die D-Mark sollte mit maschinenlesbaren Merkmalen sicherer gemacht werden. „Auf einer ersten Stufe konnte jeder die Echtheit des Geldscheins durch Sehen, Fühlen und Kippen selbst überprüfen – etwa durch die spezielle Haptik des Papiers oder das Wasserzeichen“, sagt Depner. Auf einer zweiten Sicherheitsstufe sollten spezielle Sensoren, etwa unter UV-Licht, die Echtheit erkennen. „Auf einer dritten Ebene gab es erstmals Sicherheitsmerkmale, die nur die Zentralbanken mithilfe von speziellen Maschinen auslesen konnten.“
Parallel entwickelte sich Giesecke + Devrient mehr und mehr zu einem Sicherheitskonzern, der nicht nur Geld druckte, sondern auch Technologie für den elektronischen Zahlungsverkehr entwickelt, heute arbeitet das Unternehmen gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) am „digitalen Euro“ – einer Art digitales Bargeld für die Zukunft.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Geldscheinsammlung? Werden schon in wenigen Jahrzehnten keine neuen Banknoten mehr in die Sammlung aufgenommen, weil es schlicht keine neuen mehr gibt?
„Nein, ganz sicher nicht“, sagt Mitschke-Collande. „Münzgeld war bereits in der Antike verbreitet, trotzdem gelten Münzen bis heute als Zahlungsmittel.“ Das Aufkommen des neuen Papiergeldes habe das Münzgeld nicht verdrängt, sondern ergänzt. Ähnliches erwarte sie in Zukunft, auch wenn richtig sei, dass zum Bargeld viele digitale Bezahlmethoden hinzukommen. „Zumal viele Länder auch gar keine digitale Infrastruktur haben und daher noch lange auf Banknoten angewiesen sind“, sagt sie. „Unsere Sammlung wird daher noch viele Jahre wachsen, und wir beschäftigen uns heute schon damit, wie man zusätzlich zu den Geldscheinen digitale Währungen in der Sammlung archivieren kann.“
Virtuelle Ausstellungen
Öffentlich zugänglich ist das Geldscheinarchiv von Giesecke + Devrient nicht. Dafür hat die Stiftung Teile der Sammlung digitalisiert, die Dokumente sind online kostenlos abrufbar unter
www.geldscheinsammlung.de
Hier finden sich auch virtuelle Ausstellungen. Zuletzt: „Papiergeld Bayerns – Notgeld von München