München – BMW hat in diesem Jahr beim Personal Großes vor: Man werde, kündigte Konzern-Chef Oliver Zipse kurz vor dem Jahreswechsel in einem Interview mit unserer Zeitung an, im laufenden Jahr „rund 6000 neue Mitarbeiter“ einstellen. Nun macht der Konzern Ernst. Nach einer exklusiven Auswertung der Jobseite Indeed für unsere Zeitung hat BMW aktuell rund 1720 Stellenanzeigen auf seinem Karriereportal ausgeschrieben, gut zwei Drittel davon in München. Neben Spezialisten für automatisiertes Fahren oder Batterie-Technologie fahndet der Konzern auch nach Software-Entwicklern oder Experten für IT-Sicherheit.
Auch bei anderen Unternehmen im Großraum läuft der Jobmotor nach dem Corona-Einbruch wieder auf Hochtouren. Infineon weist derzeit 370 Stellenanzeigen für die Konzernzentrale in Neubiberg aus, Siemens hat in München 319 Stellenanzeigen offen, der TV-Konzern ProSieben.Sat1 gut 300. Insgesamt suchen die neun im Dax notierten Unternehmen mit Sitz im Großraum München derzeit rund 2400 Mitarbeiter. Dazu kommen 126 offene Stellen bei Airbus sowie 100 bei Linde. Beide haben ihren Konzernsitz zwar nicht in München, unterhalten hier aber große Standorte.
Rechnet man auch noch die im MDax und TecDax notierten Münchner Unternehmen wie Telefónica Deutschland, den IT-Dienstleister Cancom oder den Bremsenspezialisten Knorr-Bremse hinzu, suchen die größten, börsennotierten Münchner Unternehmen derzeit insgesamt gut 3400 Mitarbeiter. Und selbst das ist nur die Spitze. Aktuell liege die Zahl der offenen Stellen in der Landeshauptstadt bei rund 40 000, erläutert Annina Hering, Arbeitsmarkt-Expertin bei Indeed.
Bei der Zahl der offenen Stellen sei München damit bundesweit hinter Berlin auf Rang 2. Gemessen am Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und den Stellenausschreibungen sei der Münchner Arbeitsmarkt bundesweit jedoch „die Nummer 1“, resümiert die promovierte Arbeitsmarkt-Ökonomin.
Zwar hat die Corona-Pandemie in den vergangenen beiden Jahren auch auf dem Münchner Arbeitsmarkt tiefe Spuren hinterlassen. Doch seit dem Tief im Sommer 2020 hat die Nachfrage nach gutem Personal wieder kräftig angezogen. Aktuell liegt die Zahl der offenen Stellen um 58,3 Prozent über dem Vorjahr. Im Vergleich zum Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 hat die Gesamtzahl der Stellenausschreibungen um gut ein Fünftel zugelegt.
Damit hat der Arbeitsmarkt in der Landeshauptstadt die Corona-Pandemie inzwischen weit hinter sich gelassen. „München und das Umland sind einfach ein unfassbar starker Anziehungspunkt“, sagt Hering. Dabei weist der Ballungsraum noch eine weitere wichtige Besonderheit auf. Während im Rest der Republik vor allem „technisch-mechanische Berufe“ wie Industriearbeiter oder Handwerker gefragt sind, werden in München vor allem „White-Collar“-Beschäftigte gesucht, also Wissensmitarbeiter, erläutert die Expertin.
Danach entfallen immerhin rund zehn Prozent der Stellenausschreibungen in München auf Software-Experten, in weiteren acht Prozent der Anzeigen werden Vertriebsspezialisten gesucht, gefolgt von Stellenausschreibungen für Führungskräfte auf Platz 3. Dies spiegele die hohe Dichte an Konzernzentralen, Niederlassungen und wichtigen Entwicklungsstandorten großer Konzerne wider, sagt Hering. So unterhalten mit Microsoft, Oracle, Adobe oder Salesforce vier Tech-Riesen ihre Deutschland-Zentralen in München. Zudem baut Google seinen Entwicklungsstandort in der Münchner Maxvorstadt kräftig aus. Auch Apple hat für München große Pläne. Bis 2023 will der iPhone-Hersteller die bestehenden Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in München zum Europäischen Zentrum für Chip-Design aufrüsten und dafür eine Milliarde Euro in die Hand nehmen.
Die Anziehungskraft der Landeshauptstadt dürfte damit langfristig weiter steigen – Mieten und Lebenshaltungskosten steigen allerdings gleich mit.