München – Der überraschende Erfolg von Elektroautos spart den deutschen Autobauern Milliardenstrafen. Der starke Zuwachs elektrifizierter und vollelektrischer Fahrzeuge ermöglicht es bisher BMW und VW, die für sie festgesetzten Flottengrenzwerte einzuhalten. Nachdem BMW bereits am Freitag durchsickern ließ, dass die CO2-Ziele für 2021 übererfüllt wurden, zog gestern der VW-Konzern nach: Die Marke Volkswagen lag mit durchschnittlich 113 Gramm CO2 pro Kilometer sechs Gramm unter der Marke von 119 Gramm. Der Wolfsburger Autobauer errechnete 5,5 Millionen Gramm (oder 5,5 Tonnen) über die Vorgabe hinaus eingespartes Kohlendioxid.
VW-Marken-Chef Ralf Brandstätter führt den Rückgang auf starke Zuwächse beim Verkauf von Elektroautos im Jahr 2021 zurück. 106 000 Autos mit Plug-in Hybrid-Antrieb sind gegenüber 2020 ein Plus von 33 Prozent. Bei den ausschließlich batterieelektrischen Fahrzeugen betrug das Wachstum sogar 97 Prozent auf 263 000. Bis 2030 plant VW, in Europa 70 Prozent reine Elektroautos zu verkaufen. In den USA und in China sollen es 50 Prozent sein.
Auch konzernweit, das bedeutet mit den Pkw-Marken Audi, Skoda, Seat (mit Cupra) und Porsche (Lamborghini und Bentley wurden dabei nicht mitgezählt), blieb Volkswagen deutlich unterhalb der EU-Grenzwerte: Durchschnittlich 118,5 Gramm CO2 pro Fahrzeug und Kilometer sind nach Konzernmittlung zwei Prozent weniger, als die EU erlaubt hätte.
Rein optisch sind die Werte für 2021 sogar eine Verschlechterung gegenüber der Zahl für 2020. Damals wurde im Konzern mit 99,9 Gramm sogar die Marke von 100 Gramm unterschritten. Allerdings wurde damals noch nach dem neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) gemessen, der unrealistisch niedrige Verbrauchs- und Abgaswerte ergab. Seit 2021 ist der wirklichkeitsnähere WLTP-Zyklus verbindlich. Deshalb wurden auch die Grenzwerte neu berechnet. Nach dem alten Maßstab sollte der Flottenverbrauch bei durchschnittlich 95 Gramm pro Kilometer liegen. Dieser Wert wurde nach oben angepasst. Dabei legt die EU für jeden Hersteller einen eigenen Grenzwert fest, um die Unterschiede zwischen den Flotten etwa beim Fahrzeuggewicht zu berücksichtigen.
Bis 2025 soll der Flottenausstoß um weitere 15 Prozent gegenüber 2021 sinken und ab 2030 sogar um 35 Prozent. Dabei ist völlig klar, dass dies in der Praxis nur mit einem stetig überproportional wachsenden Anteil emissionsfreier Fahrzeuge zu erreichen sein wird.
Umstritten ist, ob die Anrechnung von Fahrzeugen mit Elektromotor das tatsächliche Emissionsverhalten widerspiegelt. Elektrofahrzeuge, so die Kritik, werden sauberer eingerechnet, als sie es nach dem Strommix sind. Und sie werden zusätzlich durch sogenannte Supercredits statistisch überproportional gewichtet, was den Flottendurchschnitt drückt. Elektroautos in der Flotte bewirken so, dass die Gesamtstatistik Benziner und Dieselautos emissionsärmer erscheinen lässt, als sie in Wahrheit sind. Doch schmelzen diese Supercredits Jahr für Jahr ab und fallen ab 2023 weg.
Noch ist unklar, wie sich die anderen europäischen Autohersteller schlagen. Von Mercedes liegen noch keine Zahlen vor. Der Hersteller hatte die Werte für 2020 knapp einhalten können. MARTIN PREM