Taiwanesen dürfen Siltronic nicht kaufen

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – 4,4 Milliarden Euro hatte Global Wafers aus Taiwan geboten, um seinen deutschen Konkurrenten Siltronic zu kaufen. Nun ist das Angebot vom Tisch und der Erwerb geplatzt. „Wir haben die Genehmigung der Bundesregierung nicht erhalten“, erklärte Global Wafers-Chefin Doris Hsu nach dem Auslaufen einer Frist dafür in der Nacht zum Dienstag. Bereits zuvor hatte sie für diesen Fall angekündigt, keinen zweiten Anlauf starten und stattdessen eine alternative Verwendung der Milliardensumme zu planen.

Weil Wafer-Hersteller wie Siltronic rar gesät sind, läuft das auf eine Aufstockung eigener Produktionskapazitäten hinaus und das voraussichtlich nicht in Europa. Die neue Bundesregierung hat indessen dem Kauf nicht aktiv widersprochen, sondern einfach die Frist zur Zustimmung ablaufen lassen. Global Wafers spricht deshalb von einer Nicht-Entscheidung. Das für die nicht erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung zuständige Bundeswirtschaftsministerium verschanzt sich indessen hinter jüngsten Auflagen der chinesischen Kartellbehörde zum Kauf von Siltronic durch Global Wafers. Diese Auflagen seien so komplex und kurzfristig erlassen worden, dass man ihre Prüfung nicht vor Ablauf der Übernahmefrist habe beenden können. Jetzt sei die Prüfung gegenstandslos geworden.

Fakt ist, dass die deutschen Meldepflichten zum Verkauf von Hochtechnologie zuletzt 2021 unter anderem im Bereich Halbleiter weiter verschärft wurden. Zudem plant die EU die Ansiedelung nennenswerter Produktionskapazitäten für seit vielen Monaten rare Chips in Europa.

Waferscheiben aus Silizium, aus denen Halbleiter aller Art geschnitten werden, sind ein industrieller Rohstoff dafür. 90 Prozent aller modernen Siliziumscheiben mit 300 Millimetern Durchmesser werden von nur fünf Firmen hergestellt, von denen vier in Asien residieren. Global Wafers ist die weltweite Nummer drei der Branche. Siltronic rangiert gleich dahinter und ist der letzte europäische Produzent von Weltrang. Zusammen wären beide auf Rang zwei vorgerückt.

Mit der Übernahme vertraute Personen halten Industriepolitik für den eigentlichen Grund des Schweigens der Bundesregierung. Eine zur Schlüsseltechnologie erklärte Industrie wie die Chipfertigung solle ab sofort im Land gehalten und nicht mehr nach jenseits europäischer Grenzen verkauft werden. Dazu kommt, dass China gegenüber Taiwan in letzter Zeit verstärkt mit den Säbeln rasselt. Selbst für den Fall einer Invasion hätte Global Wafers allerdings Vorkehrungen getroffen, sagen Personen, die Einblick in die Dokumente haben. Im Falle einer Eroberung Taiwans durch China hätte der Kauf rückabgewickelt werden können. Es habe auch weitere verpflichtende Zusagen seitens Global Wafers zur Sicherung von Produktion und Stellen bei Siltronic in Deutschland gegeben.

Unmittelbare Folge des Scheiterns der Übernahme ist nun, dass Global Wafers alle nun angedienten Siltronic-Aktien wieder an seine ursprünglichen Besitzer zurückgibt. Damit bleibt der Wafer-Produzent im Einflussbereich des Münchner Spezialchemieherstellers Wacker Chemie und dessen Industriellenfamilie, die damit aber nichts mehr zu tun haben will. Die Wacker-Familie sucht nun jedenfalls einen alternativen Käufer für ihre Beteiligung. Wacker hält 31 Prozent an Siltronic und ist damit größter Einzelaktionär.

Ein Zusammenschluss von Global Wafers und Siltronic wäre „im besten Interesse nicht nur der beiden Unternehmen, sondern auch der deutschen und europäischen Halbleiterindustrie gewesen“, sagte Wacker-Chef Christian Hartel bedauernd. Wacker wolle seine Beteiligung an Siltronic auf jeden Fall weiterhin abgeben. Alle potenziellen industriellen Käufer sitzen aber in Asien.

Ein Finanzinvestor könnte einen Ausweg bieten, wobei die Halbleiterindustrie aber enorme Investitionssummen verschlingt. Auch diese Vari-ante ist also unsicher. Indessen werden mit Hochdruck neue Kapazitäten in dieser strategisch so wichtigen Industrie aufgebaut. Die dürften vorerst vor allem in Asien und den USA entstehen, schätzt ein Insider. In Deutschland stünden vor allem auch hohe Stromkosten dagegen.

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