Wind macht Siemens Energy Sorgen

von Redaktion

Neuerlicher Chefwechsel bei Gamesa soll Trendwende bringen

München – Als der deutsch-spanische Windkraftanlagenbauer Siemens Gamesa vorigen Sommer zum zweiten Mal binnen Kurzem Prognosen massiv senken musste, war die Warnung eindeutig. „Ein weiteres Mal kann er sich so etwas nicht leisten“, meinte ein Insider mit Blick auf Firmenchef Andreas Nauen. Vor zwei Wochen kam die dritte Gewinnwarnung binnen neun Monaten mit gut 400 Millionen Euro Quartalsverlust statt Trendwende.

Die Abspaltung Siemens Energy, die zu zwei Dritteln am Problemfall beteiligt ist, musste ihre Prognosen dadurch ebenfalls senken. Anfang März wird Nauen nun vom Siemens Energy-Vorstand Jochen Eickholt ersetzt, hat dessen Aufsichtsrat soeben verkündet. Zumindest was die Ablösung gescheiterter Manager angeht, liefert man also verlässlich. Alles andere soll nun Eickholt richten. „Er hat mehrfach seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt, schwächelnde Geschäfte wieder erfolgreich zu machen“, sagt Siemens Energy-Aufsichtsratschef Joe Kaeser zur neuerlichen Wachablösung an der Spitze von Siemens Gamesa. Schon Nauen-Vorgänger Markus Tacke musste nach verfehlten Prognosen gehen.

„Eickholt ist ein sehr energischer Typ, Samthandschuhe sind seine Sache nicht“, beschreibt ein Aufseher von Siemens Energy den 60-jährige Ingenieur und Elektrotechniker. Der ist seit 22 Jahren bei Siemens und hat schon die Siemens-Zugsparte vom Problemfall zum Vorzeigebereich gemanagt. Nicht weniger wird nun erneut von ihm erwartet. Eine Trendwende bei Siemens Gamesa müsse schnell und brachial kommen, heißt es im Konzern.

Ob dafür allein neues Spitzenpersonal reicht, ist die Frage. Denn das Gebilde aus Siemens Energy und Siemens Gamesa leidet an einem Konstruktionsfehler. Der Windkraftspezialist aus dem Baskenland notiert separat an der Börse, ist nur zu zwei Dritteln im Besitz von Siemens Energy – und Eigenständigkeit gewohnt. Beim Börsenstart von Siemens Energy vor eineinhalb Jahren schien das kein großes Problem zu sein. Als Sorgenkind galt da das traditionelle Geschäft mit fossil befeuerten Kraftwerken, während Windkraft von Siemens Gamesa für Nachhaltigkeit und die technologische Zukunft stand. Es kam dann aber rasch anders.

In der verkehrten Welt von Siemens Energy wurde das fossile Kraftwerksgeschäft – auch per Abbau tausender Stellen – weitgehend stabilisiert. Zum hartnäckigen Problemfall dagegen erwuchs Siemens Gamesa vor allem auch durch Managementfehler. An steigenden Kosten leidet derzeit die gesamte Windkraftbranche. Bei Siemens Gamesa knirscht es zudem gewaltig bei der Einführung einer neuen Turbinengeneration für Windparks an Land. Immer wieder floppen Projekte. Um das zu ändern, wird über mehr Zugriff auf Siemens Gamesa durch vollständige Übernahme diskutiert. „Das ist mittelfristig eine Option“, sagt ein Insider.

Rund 4,7 Milliarden Euro würde das fehlende Drittel derzeit kosten, haben Analysten berechnet, viel Geld für einen Konzern, der im Brennpunkt einer globalen Energiewende steht. Zum Börsenstart im Herbst 2020 war eine Aktie von Siemens Energy 22 Euro wert. Heute notiert der Dax-Wert über ein Zehntel niedriger, während der Dax als Ganzes um ein Viertel höher steht. Das sagt alles.

Auf finanzielle Hilfe durch Mutter Siemens, die noch zu gut einem Drittel an Siemens Energy beteiligt ist, braucht man bei einer eventuellen Komplettübernahme von Siemens Gamesa nicht zu hoffen. Bis Sommer soll dennoch ein kapitalschonender Weg dazu bereitet werden, heißt es. THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

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