Berlin – Es soll eigentlich eine milliardenschwere Entlastung der Stromkunden werden. Jetzt aber wird die geplante Abschaffung der EEG-Umlage immer mehr zur Notbremse. Die Bundesregierung will sie wenn möglich vorziehen, um die Explosion der Stromkosten abzufedern, die bald für viele Bürger nicht mehr bezahlbar sind. Doch Experten sagen: Das ist möglicherweise zu kurz gedacht.
„Eine Absenkung oder Abschaffung der EEG-Umlage ist kein Garant für sinkende Strompreise“, sagt etwa Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Der Steuerzahlerbund wünscht sich mehr Ehrlichkeit: „Auch eine vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage zur Jahresmitte würde nicht ansatzweise die Belastungen ausgleichen, die privaten Haushalten durch die hohen CO2-Preise entstehen, mit denen der Staat allein im vergangenen Jahr rund 12,5 Milliarden Euro eingenommen hat“, sagt Präsident Reiner Holznagel.
Die EEG-Umlage ist ein wesentlicher Bestandteil der Stromrechnung, neben Steuern, Produktionskosten und den Netzentgelten. Über die Umlage wird die Differenz zwischen den garantierten Vergütungen für die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien und den an der Strombörse erzielten Erlösen ausgeglichen. Der bisherige Plan der Ampel ist es, die EEG-Umlage über die Stromrechnung zum 1. Januar 2023 abzuschaffen. Die Umlage zur Förderung des Ökostroms nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll dann aus dem Bundeshaushalt finanziert werden.
Es mehren sich aber die Signale, dass die Umlage vor dem Hintergrund der steigenden Energiepreise früher abgeschafft werden soll. Finanzminister Christian Lindner (FDP) stellte dies zur Jahresmitte in Aussicht. Die Abschaffung der Umlage werde den Anstieg der Energiepreise aber nur dämpfen.
Bereits klar ist, dass die EEG-Umlage in diesem Jahr durch einen Bundeszuschuss von knapp 3,3 Milliarden Euro gesenkt wird. Das macht nach Berechnungen des Bunds der Steuerzahler aber weniger als einen Cent pro Kilowattstunde aus. Eine vollständige Streichung zum zweiten Halbjahr würde einem Single-Haushalt demnach in diesem Jahr 42 Euro mehr bringen. Eine vierköpfige Familie hätte diesen Berechnungen zufolge 89 Euro mehr. Dabei nimmt der Steuerzahlerbund an, dass eine Familie 4000 Kilowattstunden Strom pro Jahr verbraucht, ein Single 1900 Kilowattstunden.
Aber was bedeutet das unterm Strich für die Stromrechnung? „Da derzeit die Börsenstrompreise sehr hoch sind, ist damit zu rechnen, dass die Strompreise nicht sinken“, sagt Kemfert. „Aber zumindest kann vielleicht ein sehr starker Anstieg vermieden werden.“ Kemfert schlägt vor, Haushalte durch eine Pro-Kopf-Rückerstattung der CO2-Einnahmen zu entlasten, vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert, dass die eingezahlten Beträge zur CO2-Bepreisung vollständig an die Haushalte zurückgezahlt werden. Das sei wichtiger als die Abschaffung der EEG-Umlage.
Die Frage ist auch, ob die Stromversorger die Abschaffung der EEG-Umlage an die Kunden weitergeben würden. „Wir wissen aus der Vergangenheit, dass preissenkende Faktoren weniger schnell oder gar nicht weitergegeben werden, wohingegen preissteigernde Faktoren schnell und häufig überproportional auf die Verbraucher überwälzt werden“, so Kemfert.
Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden betonte, die Entlastungen müssten auch wirklich bei den Bürgern ankommen. „Das war bei der Absenkung der EEG-Umlage in der Vergangenheit nicht immer der Fall. Darauf müssen wir bei der konkreten Ausgestaltung ein besonderes Augenmerk richten.“
Thorsten Müller, wissenschaftlicher Leiter der Würzburger Stiftung Umweltenergierecht, sagte dem „Spiegel“, zunächst profitierten nur die Anbieter von der Entlastung. Der Staat könne sie nach derzeitiger Rechtslage nicht dazu zwingen, die Senkung eins zu eins durchzureichen.
Wenn man sicherstellen wolle, dass die Entlastung auch tatsächlich bei den Endkunden ankomme, müsse man eher Stromsteuer und Mehrwertsteuer in den Blick nehmen, sagt Simone Peter, die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie BEE. Auch Verbraucherschützer und Steuerzahlerbund fordern das.
Bezahlt werden soll die Abschaffung der Umlage über den Klimafonds, der über den umstrittenen Nachtragshaushalt 60 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung hat. Die Frage ist, was genau das kostet -– zehn Milliarden Euro pro Jahr, 15 Milliarden? Denn die Höhe der Umlage, die mit Steuermitteln bereits auf 3,72 Cent pro Kilowattstunde gedrückt wurde, hängt auch von der Entwicklung des Börsenstrompreises ab.