Siemens: Nur noch Perlen im Portfolio

von Redaktion

München – Siemens plagen nur noch Luxusprobleme. Sogar die sonst oft kritischen Aktionäre sind fast rundum zufrieden. Der Konzern müsse nun beweisen, dass das hervorragende Vorjahr keine Eintagsfliege war, meinte Portfoliomanagerin Vera Diehl von Unioninvest beim diesjährigen Aktionärstreffen. Pandemiebedingt blieb es erneut digital. „Wenn man im Kerngeschäft nur noch Perlen im Portfolio hat, gibt es keine Ausreden“, erklärte die Aktionärsvertreterin. Kollege Ingo Speich von Deka Invest sieht es ähnlich. „Die neue kleinere Siemens AG muss zeigen, dass sie über sich hinaus wachsen kann“, forderte er ambitioniert.

Kleiner ist Siemens geworden, weil alte Konglomeratszeiten durch den Börsengang des abgespaltenen Teilkonzerns Siemens Energy endgültig Vergangenheit sind. Nur noch gut ein Drittel der Anteile daran hält die Mutter noch und kann sich auch deshalb im Erfolg sonnen. Denn während der Problemfall hart mit dem Wandel von fossiler zu erneuerbarer Energieerzeugung kämpft, ist Siemens selbst ein auf digitale Technologien fokussierter Konzern geworden, freut sich Firmenchef Roland Busch. Globaler Technologieführer bei Industriesoftware sei die neue Siemens, betont er. Vorgänger hatten noch von Telefonen oder Kraftwerken geschwärmt.

Diese Software werde künftig verstärkt per Datenwolke im Internet vermietet, was nach SAP und damit dem lange einzigen deutschen Softwareriesen von Weltrang klingt. Anfassbares hat die neue Siemens zwar noch in Form von Zügen im Portfolio. Aber die will Siemens künftig nicht mehr als Produkt, sondern als „Transport von Menschen“ verkaufen und dabei Verfügbarkeiten garantieren oder Streckenmanagement bieten. Auch auf dieser Ebene will Siemens zum Plattformkonzern werden. Man investiere zudem in einem Umfang in Forschung und Entwicklung wie kein Konkurrent. Knapp fünf Milliarden Euro waren es 2020/21, was 2500 neue Patentanträge brachte. Rund 5,5 Milliarden Euro sollen es im laufenden Geschäftsjahr werden.

Bei Siemens-Geschäftskunden spare die im Haus erfundene innovative Digitalisierung zudem jährlich 88 Millionen Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) ein, rechnet Busch vor. Siemens verspricht, im eigenen Konzern bis 2030 komplett klimaneutral zu sein und bis dahin auch Schadstoffemissionen in der Lieferkette um ein Fünftel zu verringern. „Wir sehen die neue Siemens als Vorreiter bei der nachhaltigen Transformation“, meinte Fondsmanagerin Diehl.

An der Börse möchte sie wie Mitaktionäre bald ein Siemens-Kursfeuerwerk sehen. So gut es zuletzt auch gelaufen sei, die Dax-Entwicklung oder die des globalen Industriesektors habe Siemens voriges Jahr nicht schlagen können. Auch in dem Punkt will Busch nun liefern und aufräumen, was noch zum Aufräumen ist.

Dazu zählt der Verkauf letzter, nicht mehr zum Kerngeschäft zählender Aktivitäten sowie der verbliebene Anteil an Siemens Energy. Bei Letzterem will Busch warten, bis der Problemfall saniert und der Aktienkurs gestiegen ist. Verkäufe des eigenen Anteils an Valeo Siemens und des Geschäfts mit Post- und Paketlogistik sind auf den Weg gebracht. 1,5 Milliarden Euro Sondergewinn winken in Summe. Den braucht man nicht wirklich. „Siemens ist sehr erfolgreich ins neue Geschäftsjahr gestartet“, lobt Busch. Die Auftragseingänge im ersten Quartal 2021/22 (zum 30. September) sind um satte 42 Prozent auf gut 24 Milliarden Euro gestiegen, während die Umsätze um neun Prozent auf 16,5 Milliarden Euro klettern konnten. Der Quartalsgewinn nach Steuern wuchs um ein Fünftel auf 1,8 Milliarden Euro. Das hält Eigner bei Laune. THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

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