München – Russische Banken sollen aus dem internationalen System Swift ausgeschlossen werden. Es ist ein Schritt, den auch Menschen in Deutschland zu spüren bekommen werden: Bundeskanzler Olaf Scholz gibt dem internationalen Druck nach und trägt den Ausschluss russischer Banken aus dem Finanzkommunikationssystem Swift mit. Wirtschaftsexperten erwarten drastische Auswirkungen auf Russland. Aber in Deutschland sind nach den Worten von Außenministerin Annalena Baerbock „Kollateralschäden“ zu befürchten, auch für die Energieversorgung. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was wurde jetzt vereinbart?
Deutschland, die USA und andere westliche Partner vereinbarten am Samstagabend – neben neuen Sanktionen gegen die russische Zentralbank – den Ausschluss bestimmter russischer Finanzinstitute aus Swift. Betroffen sind nach offiziellen Angaben alle russischen Banken, die bereits von der internationalen Gemeinschaft sanktioniert sind. Hinzu kommen sollen – soweit erforderlich – russische Banken. Die Institute sollen von den internationalen Finanzströmen abgeklemmt werden, teilte die Bundesregierung mit.
Was ist Swift?
Swift ist eine Genossenschaft mit Sitz im belgischen La Hulpe südöstlich von Brüssel. Sie unterliegt europäischem Recht. Der Name steht für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (etwa Gesellschaft für weltweite Fernkommunikation zwischen Banken). Swift betreibt auch ein eigenes Datennetz sowie drei Datenzentren – in den USA, Belgien und der Schweiz. Das Angebot wird von mehr als 11 000 Finanzinstituten weltweit genutzt, darunter die größten der Welt und Notenbanken. Swift ist kein Zahlungsabwickler, vereinfacht Zahlungen aber so, dass sie automatisiert möglich sind.
Wie funktioniert Swift?
Über das System können Nachrichten von einer Bank zur anderen geschickt werden. Als Absender- oder Empfängeradresse dient der BIC, der Business Identifier Code, der für jede Bank weltweit einmalig ist. Die Europäische Zentralbank hat zum Beispiel ECBDEFF. Swift hat international eine Art Monopol. Die Genossenschaft hat eigene, weltweit geltende Standards und Formate für Nachrichten entwickelt, die die Banken automatisch verarbeiten können. Diese Nachrichten werden äußerst schnell übertragen und sind sehr sicher. Zudem ist klar, wer die Nachricht wann von wo an wen wohin gesendet hat und wann sie dort angekommen ist. Nachrichten gibt es für Überweisungen, aber auch andere Geschäfte wie Aktienkäufe, oder Großüberweisungen zwischen Banken. Je Art werden täglich etwa 40 bis 50 Millionen Nachrichten versandt. Entsprechend groß ist die Zahl automatisch damit verknüpfter Geldgeschäfte. Ihr Volumen wird auf fünf Billionen Dollar am Tag beziffert.
Warum ist es für Russland ein Problem, komplett ausgeschlossen zu werden?
Ohne Swift gibt es keine Geldgeschäfte mit dem Ausland mehr. Das Land wäre auf einen Schlag abgeschnitten von den Nachrichten, damit sind automatisierte Zahlungen nicht mehr möglich. Das bedeutet: Rechnungen zum Beispiel für Gas- und Öllieferungen können nicht mehr bezahlt werden. Das träfe Russland besonders, weil das Land sehr stark von diesen Einnahmen abhängig ist. Zudem würden Lieferungen nach Russland gestoppt, weil russische Käufer Rechnungen nicht mehr begleichen können. Der Handel wäre praktisch blockiert. Russland hätte zudem keinen Zugriff mehr auf Auslandsvermögen. Die verschärften westlichen Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs werden aus Sicht der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm starke Auswirkungen auf die russische Wirtschaft haben. Grimm sagte, vor allem die Sanktionen gegen die Zentralbank würden die russische Wirtschaft hart treffen. Russland habe hohe Devisenbestände, könne nun damit aber nicht mehr den Rubel stabilisieren, der bereits unter Druck geraten sei.
Welche Folgen hat ein Ausschluss für Deutschland?
Sind Zahlungen mit Russland nicht mehr möglich, trifft das auch die deutsche Wirtschaft. Deutschland hat im vergangenen Jahr Waren im Wert von 33,1 Milliarden Euro aus Russland importiert – zu 59 Prozent Gas und Öl. Russland kaufte Produkte, besonders Maschinen und Autos, im Wert von 26,6 Milliarden Euro. Das Land zählt mit 2,3 Prozent Anteil am Außenhandel bisher zu den 15 wichtigsten Außenhandelspartnern. Viele deutsche Unternehmen produzieren in Russland oder haben traditionell enge Wirtschaftskontakte wie Siemens. Der Gas- und Ölförderer Wintershall Dea ist an mehreren Gasfeldern in Russland beteiligt. Außenministerin Baerbock hat noch am Donnerstag „massive Kollateralschäden“ beschrieben – zu einem Zeitpunkt, als Deutschland zögerte, den Swift-Ausschluss russischer Banken mitzutragen. Dieser, so warnte die Grünen-Politikerin, könnte dazu führen, dass auch Energieimporte nicht mehr finanziert werden. Man müsse sehen, „dass wir nicht Instrumente wählen, wo Putin am Ende drüber lacht, weil sie uns viel härter treffen“. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) warnt vor einem „Vergeltungsreflex“. Kurzfristig würde ein mit der Swift-Blockade ausgelöster Lieferstopp für Gas dem Westen mehr schaden als Russland, erklärte IfW-Vizepräsident und Konjunkturchef Stefan Kooths am Sonntag. Langfristig sei es umgekehrt. „Realpolitisch zählt für Sanktionen daher das Timing, nicht der rasche Vergeltungsreflex, so populär er augenblicklich auch sein mag.“ Die Wirtschaftsweise Grimm meint dagegen: „Die unmittelbaren ökonomischen Kosten mögen hoch sein, aber der Schaden durch eine weitere militärische Eskalation weit größer.“
Wie sind deutsche Unternehmen betroffen?
Die Wirtschaftssanktionen bedeuten aber auch Einnahmeausfälle für europäische Unternehmen in Milliardenhöhe. Genau beziffern wollten EU-Beamte dies in den vergangenen Tagen nicht. Ifo-Chef Clemens Fuest erwartet, dass die Sanktionen den den Westen „einiges kosten“ werden, die russische Wirtschaft aber weit härter treffen, wie er twitterte: „Es wird Erschütterungen an den Finanzmärkten geben, aber anders geht es nicht.“
Was wurde darüber hinaus beschlossen?
Die EU-Sanktionen beschränken auch Refinanzierungsoptionen des Staates und von ausgewählten privaten Banken und Unternehmen, darunter die Alfa Bank, Bank Otkritie, Bank Rossija und Promswjasbank. Zudem beschränkt die EU die Ausfuhr strategisch wichtiger Güter für den Verkehrs- und Energiesektor. Putin und sein Außenminister Sergej Lawrow wurden auf die EU-Sanktionsliste gesetzt und damit etwaige Vermögen in der EU eingefroren. Darüber hinaus soll das Vermögen der russischen Zentralbank blockiert werden, wie EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte. „Ihre Transaktionen werden eingefroren. Und wir nehmen der Zentralbank die Möglichkeit, ihr Guthaben international einzusetzen.“ So soll verhindert werden, dass Russland seine staatlichen Rücklagen zur Finanzierung des Krieges nutzt. Alles zusammen soll dazu dienen, die russische Wirtschaft international zu isolieren. Das dürfte auch den Rubel weiter schwächen.
Was bedeutet der SwiftAusschluss für die Menschen in Russland?
Geld aus Deutschland an die Oma in Moskau zu schicken, wird praktisch unmöglich. Weil Swift auch innerhalb Russlands genutzt wird, trifft ein Ausschluss auch den Finanzverkehr zwischen russischen Banken. Wie sehr, lässt sich nur schwer abschätzen. Denn es existiert ein eigenes, innerrussisches System.
Wie oft werden Länder von Swift ausgeschlossen?
Bisher sind nur zwei Länder komplett von Swift ausgeschlossen: Nordkorea seit 2017 als Reaktion auf das Atomprogramm des Landes. Und der Iran seit 2012 ebenfalls wegen des Atomprogramms. Die Wirtschaft der jeweiligen Länder litt dramatisch unter dem Ausschluss. BJÖRN HARTMANN, ANSGAR HAASE, VERENA SCHMITT- ROSCHMANN, ANDREAS HOENIG