Drei bis sechs deutsche Gas-Terminals nötig

von Redaktion

VON THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

München – Den Bau von zwei Terminals für Flüssiggas (LNG) hat SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung angekündigt, um damit von russischen Gaslieferungen unabhängiger zu werden. Anders als viele europäische Nachbarn hat Deutschland bislang noch keine solche Anlage, die tiefgekühltes Flüssiggas wieder in gasförmigen Zustand überführt und das dann ins deutsche Gasnetz eingespeist oder in Tanks eingelagert wird.

Die zwei von Scholz genannten LNG-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven reichen aber nicht, um von russischem Pipelinegas loszukommen. „Wir brauchen mindestens drei, vielleicht sogar sechs Anlagen, um die Lücke zu schließen“, rechnet Timm Kehler als Vorstandschef des Industrieverbands Zukunft Gas vor. Mit jährlichen Kapazitäten von je rund zwölf Milliarden Kubikmetern könne jedes LNG-Terminal bei Vollauslastung zwischen zehn und zwölf Prozent der deutschen Gasversorgung sichern. Gut die Hälfte davon entfällt derzeit auf russisches Gas.

Am schnellsten LNG anlanden könnte dabei mit Stade an der Elbe wohl ein Standort, den Scholz nicht genannt hatte. „Wir sind startklar und könnten 2026 in Betrieb gehen“, sagt Johann Killinger. Stade sei ein idealer Standort und technisch fertig entwickelt, sagt der geschäftsführende Gesellschafter von Hanseatic Energy Hub, einem von drei Planungspartnern des LNG-Terminals.

Bei zügiger Genehmigung könne man das Datum um einige Monate nach vorne verschieben, aber dreieinhalb Jahre reine Bauzeit seien ein Minimum. Seit fünf Jahren treiben Industrie und Investoren die rund eine Milliarde Euro teuere Anlage voran, was bis zum Angriff von Russland auf die Ukraine politisch nicht gerade wohlwollend begleitet worden ist. Letzteres gilt auch für Pläne zum LNG-Terminal in Brunsbüttel, während ein Projekt in Wilhelmshaven zeitweise sogar auf Eis gelegt wurde.

Nun ist LNG über Nacht auch politisch zum Hoffnungsträger geworden. Wobei Terminals dafür ohne großen Zusatzaufwand auch aufnahmefähig für aus erneuerbaren Energien hergestellten grünen Wasserstoff gebaut werden können, betonen Industrievertreter. Das steuert eine ökologische Perspektive bei, nachdem LNG für das Klima erst einmal nichts Gutes bedeuten würde. „Es war keine einfache, aber eine notwendige Entscheidung“, stellt der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Dieter Janecek, zu LNG klar und warnt zugleich vor überhöhten Hoffnungen: „Bis nächsten Winter werden sie nicht einsetzbar sein.“

Wie lange russisches Gas noch nach Deutschland fließt, weiß auch er nicht. Der Krieg in der Ukraine könne dafür sorgen, dass entweder Russland kurzfristig den Gashahn zudreht oder dass die EU und Deutschland kein russisches Gas mehr abnehmen. Kurzfristig könnten dann nur Energiesparen, massiver Ausbau von Erneuerbaren Energien, aber auch der Aufbau einer nationalen Kohlereserve helfen.

Letzteres sind Worte, die einem führenden Politiker der Grünen nicht leicht über die Lippen kommen. Aber am Gas hängt zu viel. „Jeder zweite Deutsche heizt damit“, weiß Kehler. Der Bedarf steige und das nicht nur in Deutschland. Vor allem auch China stellt derzeit unter Hochdruck von Kohle auf Gas um, was riesige und mit der EU konkurrierende Nachfrage nach sich zieht.

Deutschland springt verspätet auf den Zug auf. Europaweit sind bereits 36 Terminals in Betrieb von Polen über Niederlande und Frankreich bis nach Spanien. Die Bundesrepublik dagegen hat wie sonst kein Nachbarland auf russisches Gas gesetzt, was sich jetzt bitter rächt.

Kurzfristig hat der Bund nun laut einem Bericht des Portals „The Pioneer“ für 1,5 Milliarden Euro Gas als Reserve gekauft. Ab April sollen ohnehin die Gasspeicher aufgefüllt werden. Mit Vorsorge dieser Art komme Deutschland über die nächsten Winter, bis LNG-Terminals dann ab 2025 nach und nach zur Verfügung stehen, glaubt Janecek. Im Kreis der Industrievertreter hat man einen anderen Rat für die kältere Jahreszeit der nächsten drei Jahre parat. „Warm anziehen“, lautet der.

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