Moskau – Immer mehr Unternehmen brechen ihre Geschäftsbeziehungen zu Russland ab. Die Maßnahmen zwingen selbst Konzern-Riesen in die Knie. Doch auch Europa spürt die Folgen des Konflikts.
Börse
Die Moskauer Aktienbörse bleibt angesichts des Ukraine-Krieges mindestens bis einschließlich Dienstag geschlossen. Seit dem letzten Öffnungstag der Moskauer Börse am Freitag vor einer Woche haben an der Londoner Börse gelistete Anteilsscheine russischer Unternehmen laut Bloomberg über 90 Prozent ihres Werts verloren, bevor sie am Donnerstag vom Handel ausgesetzt wurden. Zudem wollen einige globale Indexanbieter wie MSCI russische Titel aus ihren Indizes verbannen.
Internet
Der in Russland dominierende Internetkonzern Yandex warnt vor seiner eigenen Pleite. Grund ist der Ausschluss vom Handel an der US-Technikbörse Nasdaq, wie Yandex in den USA mitteilte. Sollte dieser Ausschluss länger als fünf Handelstage andauern, könnten bestimmte Gläubiger die sofortige Auszahlung ihres Geldes fordern. Es gehe um eine Summe von 1,25 Milliarden Dollar (1,14 Milliarden Euro), teilte Yandex mit. Sollten tatsächlich alle Anspruchsberechtigten ihr Geld zurückverlangen, könnte Yandex dies nicht bezahlen. Und selbst wenn, könnte dies „unsere Fähigkeit schmälern, unseren anderen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen“. Yandex wird auch das „Google Russlands“ genannt – der Konzern bietet seit 1997 eine Suchmaschine, über die nach Unternehmensangaben im letzten Quartal 2021 mehr als 60 Prozent aller Suchanfragen in Russland liefen. Yandex bietet auch Fahrtenvermittlung und Lieferdienste an.
Luftfahrt
Die russische Fluggesellschaft Aeroflot verliert weitere wichtige Geschäftspartner. Mit dem US-Unternehmen Sabre und der spanischen Amadeus IT Group kappten zwei der größten Buchungssystemanbieter für Flugtickets die Geschäftsbeziehungen zu der Airline. Für Airlines sind die Systemanbieter äußerst wichtig. Nicht nur Aeroflot ist betroffen: Wohl aus Angst vor einer Beschlagnahmung ihrer Maschinen stellt die russische Fluglinie S7 ihre internationalen Verbindungen ein. Von diesem Samstag an gebe es keine Flüge mehr ins Ausland, teilte die Airline am Freitag mit. Zuvor waren mindestens zwei Fälle bekannt geworden, in denen russische Passagiermaschinen festgehalten wurden: eine Boeing 737 der Billig-Airline Pobeda in Istanbul sowie eine Boeing 777 von Nordwind in Mexiko.
Rating
Die US-Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hat Russlands Kreditwürdigkeit aufgrund neuer westlicher Sanktionen wegen des Krieges gegen die Ukraine weiter abgestuft. Die Bonitätsnote sei angesichts gestiegener Ausfallrisiken der Anleihen von „BB+“ auf „CCC-“ gesenkt worden, teilte S&P mit. Das Rating liegt jetzt nur noch knapp über der Kategorie für Zahlungsunfähigkeit. S&P geht davon aus, dass Russlands Kreditwürdigkeit stark unter Druck bleibt und in den kommenden Wochen weiter gesenkt werden könnte. Auch die zwei anderen großen Ratingagenturen Fitch und Moody’s hatten Russlands Bonität diese Woche auf Ramschniveau abgestuft. Als kritisch gilt besonders der durch die Sanktionen beschränkte Zugriff auf Währungsreserven.
Erdöl
Bislang verzichtete Europa weitgehend auf Sanktionen gegen russische Öl- und Gasfirmen, um die eigene Versorgung nicht zu gefährden. Dennoch ist es für Russland schwierig geworden, Abnehmer für sein Öl zu finden. Käufer fürchten nicht nur die Schmach, mit dem Aggressor Geschäfte zu machen, sondern bedenken mögliche zukünftige Sanktionen und logistische Komplikationen. Livia Gallarati, Analystin beim Beratungsunternehmen Energy Aspects, schätzt, dass etwa 70 Prozent des Rohölhandels lahmliegen. Besonders groß seien die Auswirkungen auf die Lieferungen per Tankschiff. Zuletzt forderte der nicht staatliche russische Ölkonzern Lukoil ein sofortiges Ende der Kämpfe.
Baumaterial
Der Straßenbau und andere Bauvorhaben werden nach Branchenangaben durch die Russland-Sanktionen teurer. Schon jetzt müsse für Bitumen für den Asphalt sowie für Stahl deutlich mehr bezahlt werden, teilte der Zentralverband Deutsches Baugewerbe am Freitag mit. Weil wichtige Raffinerien von Russland abhängig seien, könne ein Drittel der Bitumenversorgung ausfallen. Aus Russland, der Ukraine und Weißrussland komme 30 Prozent des Stahls, der in Deutschland verbaut werde, außerdem wichtige Rohstoffe wie Nickel und Titan. Auch der Deutsche Holzwirtschaftsrat erwartet wegen des Mangels an Rohstoffen und Arbeitskräften Preissteigerungen.