Brüssel – Wegen der schweren Spannungen mit Russland will die EU so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas werden. Am Dienstag legte die EU-Kommission einen Plan mit Maßnahmen vor, um russische Gasimporte bis Ende des Jahres um zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahr zu reduzieren.
Mehr als 40 Prozent des in die EU importierten Gases kommt aus Russland; besonders Deutschland ist von den russischen Importen abhängig. Die EU könnte nach Schätzungen der Kommission noch deutlich vor 2030 ganz auf russisches Gas verzichten. Es wird allerdings befürchtet, dass Russland Gaslieferungen kurzfristig von sich aus stoppen könnte. Auch wenn die Versorgung für dieses Jahr gesichert scheint, müsse man sich jetzt für kommenden Winter wappnen. So soll es gelingen.
Verbraucherschutz
Auch wenn russisches Gas weiterhin fließt, werden die Energiepreise in diesem Jahr voraussichtlich hoch bleiben, schätzt die Kommission. Schon vor dem Krieg in der Ukraine waren die Gaspreise gestiegen, unter anderem wegen einer hohen Nachfrage während der Erholung von der Corona-Pandemie. EU-Länder sollten daher Verbraucher und Unternehmen durch Sondermaßnahmen schützen, so der Plan. Sie könnten dafür etwa ausnahmsweise die Preise für Haushalte und kleine Unternehmen regulieren. Zudem könnten sie die zusätzlichen Gewinne von Stromunternehmen, die durch die hohen Preise entstehen, besteuern und an Endkunden umverteilen. Staatliche Hilfen für betroffene Unternehmen sollen außerdem vereinfacht werden.
Gasvorräte
Um auch in Zukunft eine Energiekrise zu vermeiden, will die Kommission, dass die EU-Gasspeicher bis Oktober im Schnitt zu mindestens 90 Prozent gefüllt werden. Dafür könnten etwa EU-Länder auch gemeinsam Gaseinkäufe tätigen. Derzeit sind die europäischen Gasspeicher nach Kommissionsangaben zu weniger als 30 Prozent voll. Die Behörde will im April ein Gesetz vorstellen, um höhere Füllstände jedes Jahr verpflichtend zu machen.
Neue Gas-Quellen
Die Kommission sucht nach neuen Quellen für Gas, insbesondere für Flüssiggas (LNG), das mit Tankern übers Meer geliefert werden kann. Laut dem Plan könnte die EU bis zu 50 Milliarden Kubikmeter LNG pro Jahr importieren aus Ländern wie Katar, USA, Ägypten oder aus Westafrika. Der Import müsste aber wahrscheinlich zu den aktuell sehr hohen Marktpreisen erfolgen. Diese liegen derzeit ein Vielfaches über dem gewohnten Niveau. Zusätzlich könnten 10 Milliarden Kubikmeter herkömmliches Gas über Pipelines etwa aus Algerien oder Aserbaidschan kommen. Dafür laufen bereits Gespräche. Die Kommission möchte außerdem die Biogas-Produktion in der EU erhöhen auf rund 35 Milliarden Kubikmeter pro Jahr bis 2030 und in Zukunft mehr klimafreundlichen Wasserstoff importieren und produzieren.
Ausbau Erneuerbarer
Der Krieg in der Ukraine darf nach Ansicht der Kommission nicht dazu führen, dass die Energiewende auf Eis gelegt wird – im Gegenteil. Daher plant sie einen „Pakt für Erneuerbare Energien“, um den Ausbau von Solarenergie, Windkraft, Wasserstoff-infrastruktur sowie Wärmepumpen anzukurbeln. Genehmigungsverfahren für Ökostromprojekte sollen laut dem Plan beschleunigt und neue Investoren angelockt werden. Regierungen sollen besondere Gebiete auf Land und See für den Ausbau identifizieren.