München – Der russische Überfall auf die Ukraine und die wirtschaftlichen Folgen auch für Europa hatten den Euro zu Wochenbeginn auf 1,0807 Dollar gedrückt. Es war der tiefste Stand seit Mai 2020. Vor einem Jahr waren es noch 1,22 Dollar.
Ökonomen sehen vor allem einen Grund für die Euro-Schwäche: Den Putin-Krieg und seine wirtschaftlichen Auswirkungen in Europa. Die Flucht in als sicher eingestufte Währungen wie den Dollar, den Schweizer Franken oder den japanischen Yen dürfte erst einmal anhalten. Zum Schweizer Franken wurde am Montag sogar die Parität erreicht – ein Euro kostet also einen Schweizer Franken.
Für Verbraucher zeigt sich die Euro-Schwäche vor allem an den Tankstellen und bei Heizöl. Dort treibt der schwache Euro die Preise zusätzlich. Zudem werden Reisen in die USA und in andere Länder, in denen mit Dollar bezahlt werden muss, teurer. Das gilt angesichts der Stärke des Schweizer Franken auch für die Reise ins Nachbarland und den möglicherweise noch anstehenden Skiurlaub. Für Unternehmen sind die Folgen der Euro-Schwäche weitreichender, weil sich nicht nur die Energierechnung erhöht, sondern weil sie auch mehr Geld für die ohnehin schon massiv verteuerten Rohstoffe auf den Tisch legen müssen. Auch Rohstoffe müssen in Dollar bezahlt werden
Die weitere (Kriegs-) Entwicklung könnte den Euro in den nächsten Wochen schwächen, lässt Antje Praefcke, Devisen-Expertin der Commerzbank auch mit Hinweis auf die Notenbanken durchblicken: Die aufgehende Lücke zwischen der Geldpolitik der Europäische Zentralbank (EZB) und der der US-Notenbank Fed. Sie werde noch im März den Leitzins anheben, ist sich nicht nur Praefcke sicher. Weitere Zinsschritte dürften in den USA in diesem Jahr wegen der hohen Inflation folgen. Dagegen sind der Ausstieg der EZB aus ihrer lockeren Geldpolitik und Zinserhöhungen in diesem Jahr durch den Krieg in der Ukraine und die wirtschaftlichen Folgen unwahrscheinlicher geworden – trotz der hohen Inflation. Höhere Zinsen würden die wirtschaftliche Erholung bremsen, die ohnehin unter dem Putin-Krieg leidet.
Doch ein Ende des Krieges scheint durch die drohende Zahlungsunfähigkeit Russlands möglich. (Mehr zur Lage in Russland im Blickpunkt auf der Seite 3). Frieden in Europa würde die Gemeinschaftswährung wahrscheinlich stärken.
Doch auch deutsche Investoren haben Interessen in Russland. Wie sehr würde ein Zahlungsausfall die deutsche Wirtschaft treffen?
Jürgen Michels, Chefvolkswirt der BayernLB, geht im Gespräch mit unserer Zeitung davon aus, dass der Schock verkraftbar wäre: „Das direkte Engagement der deutschen Banken in Russland ist soweit bisher bekannt insgesamt überschaubar. Nach den Entwicklungen in den letzten Wochen dürften zudem schon viele Institute zum jetzigen Zeitpunkt ihre Risikovorsorge dahingehend deutlich ausgeweitet haben.“
Kritischer als Forderungsausfälle sieht er die Kriegsfolgen: „Durch die wirtschaftlichen Verwerfungen dürfte es Zweitrundeneffekte geben, bei denen es zu Insolvenzen bei deutschen Unternehmen kommen könnte und Rückschläge an den Finanzmärkten sich negativ auf die Bankbilanzen auswirken.“ Denn nicht nur das sonst von Oligarchen profitierende Luxussegment, auch Nahrungsmittel und vor allem Energieträger seien betroffen.
Das gefährde die durch niedrige Zinsen angeschlagene Profitabilität der europäischen Banken, aber nicht die Sicherheit: „Aufgrund der in den letzten Jahren aufgebauten guten Kapitalausstattung sollten die Effekte jedoch verkraftbar sein und die Stabilität des Bankensystems gewahrt bleiben.“
Auf volkswirtschaftlicher Ebene aber warnt Michels vor Stagflation: „Durch den Krieg und die Sanktionen ist der Aufwärtsdruck auf die Inflation jedoch deutlich gestiegen und gleichzeitig nehmen die Konjunkturrisiken zu.“
Die EZB müsse jetzt Kurs halten: „Um mittelfristig sowohl Preis- als auch Finanzstabilität in Europa zu gewährleisten, sollte die EZB daher an ihrem im Februar eingeschlagenen Pfad einer Straffung der Geldpolitik festhalten.“ Gemeint ist der Plan, ab Ende März netto keine Anleihen zu kaufen. Mit ihrem umfangreichen Kaufprogramm PEPP hatte die EZB den Markt mit Geld versorgt und die Konjunktur gestützt.
Ein stärkeres Eingreifen der Notenbank – wie ein schnelles und drastisches Anheben des Leitzinses – könne jedoch die Wirtschaft gefährden: „Angesichts der fragilen Situation erscheint es nicht angemessen, mit einer zusätzlichen Verschärfung der Geldpolitik zu reagieren.“