Was gegen den Preisschock helfen könnte

von Redaktion

VON ANDREAS HOENIG UND TOBIAS HANRATHS

Berlin – Die wegen des Ukraine-Kriegs stark gestiegenen Energiepreise drohen Unternehmen und Privathaushalte schwer zu belasten. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte vor einer Kostenexplosion für Firmen und forderte die Bundesregierung zu kurzfristigen Stabilisierungsmaßnahmen auf. Politiker der Ampel-Koalition stellten zusätzliche Entlastungsmaßnahmen in Aussicht.

Absage an Senkung der Mehrwertsteuer

Eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer, die zum Beispiel von der Union gefordert wird, soll es nach Aussage von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) aber nicht geben. „Wenn die Union eine sogenannte Spritpreisbremse fordert, dann muss sie sagen, was sie im Haushalt kürzen will“, sagte Lindner dem „Tagesspiegel“. „Oder sie muss bekennen, dass sie dafür neue Schulden aufzunehmen bereit ist.“

Die Regierung arbeite jedoch an Maßnahmen, sagte Lindner. Er gehe davon aus, dass „in Kürze“ weitere Beschlüsse gefasst werden. Die hohen Preise seien eine Belastung für Menschen und Betriebe, der Staat dürfe die Menschen damit nicht allein lassen. „Als liberaler Finanzminister habe ich mich schon vor der Krise für strukturelle steuerliche Entlastungen ausgesprochen. Jetzt brauchen wir allerdings schnelle und flexible Lösungen, die wirklich bei den Menschen ankommen“, so der Minister. Die „Bild“ berichtete am Sonntag, Lindner plane einen Tank-Rabatt. Der soll beim Bezahlen an der Kasse vom Gesamtbetrag abgezogen werden. Der Tankwart reiche die Quittung beim Finanzminister ein. Die Höhe des Rabatts steht laut „Bild“ noch nicht fest, solle aber um 20 Cent je Liter liegen.

Nachbesserung beim Entlastungspaket

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellte ein weiteres Entlastungspaket der Ampel in Aussicht. Ein erstes Maßnahmenbündel – unter anderem mit einer befristeten Anhebung der Pendlerpauschale und einer vorgezogenen Abschaffung der EEG-Umlage über die Stromrechnung – hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP Ende Februar beschlossen. Seitdem sind die Energiepreise aber noch weiter gestiegen.

„Die einzelnen Maßnahmen werden jetzt zügig umgesetzt und falls nötig sogar noch einmal verschärft“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch der „Rheinischen Post“. Besonders der Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Haushalte sollte seiner Meinung nach spürbar erhöht werden.

Auch der Industrie gehen die beschlossenen Entlastungen nicht weit genug. Die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage über die Stromrechnung sei ein wichtiges Signal, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. „Sie kann aber nur einen Bruchteil der höheren Beschaffungskosten ausgleichen. Nötig sind jetzt kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen, etwa eine Absenkung der staatlichen Umlagen und der Stromsteuer zusammen mit zinsgünstigen KfW-Krediten oder sogar direkten Notfallzahlungen.“

Die Bundesregierung arbeitet für Unternehmen aktuell an einem Kredit-Hilfsprogramm. Das soll diejenigen Unternehmen unterstützen, die von den EU-Sanktionen gegen Russland hart getroffen sind. Wie die „Bild“-Zeitung meldete, sind auch Überbrückungshilfen für Unternehmen im Gespräch, die stark gestiegene Rohstoffpreise nicht mehr tragen können. Außerdem werde eine Verlängerung der Kurzarbeiter-Regelung über den 30. Juni hinaus geprüft sowie eine nochmalige Anhebung der Pendlerpauschale.

Notlage in Industriebetrieben

Grund für die Notlage der Industrie ist, dass aktuell jede zweite Firma ihre Strom- und Gasversorgung für das laufende Jahr noch vertraglich absichern muss, wie der DIHK unter Verweis auf eine aktuelle Firmenbefragung erklärte. „Damit steht jedes zweite Unternehmen vor einer Kostenexplosion, die kaum aufzufangen ist“, so Dercks. Bei Ausbruch des Krieges habe die Hälfte der Unternehmen ihre Strom- und Gasbeschaffung für das laufende Jahr noch nicht abgeschlossen gehabt, hieß es unter Verweis auf 2000 Rückmeldungen von Unternehmen aus allen Branchen.

Die hohe Zahl erkläre sich daraus, dass viele Unternehmen aufgrund der bereits extrem hohen Preise der vergangenen Monate abgewartet oder nur für kurze Zeiträume Lieferverträge abgeschlossen haben. In der Vergangenheit hätten viele Betriebe einmal im Jahr für die kommenden zwölf Monate beschafft. „Das hat sich durch die aktuelle Preisspirale deutlich verändert“, so Dercks. Ein mittleres Unternehmen aus der Glasindustrie habe 2015 im Schnitt noch 100 000 Euro pro Monat für seine Energieversorgung bezahlt. Aktuell sei dafür der fünf- bis sechsfache Betrag fällig, oft sogar noch mehr.

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